Ente am Ende
Einer weiß Bescheid
Sonntag, 18. Dezember 2011, 13:34

Und wiederum komme ich nicht umhin, einen Artikel aus dem SZ-Magazin (diesmal immerhin das von letztem Freitag - langsam hole ich die Rückstände auf) zu empfehlen - nämlich Ohne jede Bodenhaftung - Vom Wahnwitz unserer Konsumgesellschaft des Sozialpsychologen Harald Welzer, wo es u.a. so schön wie treffend heißt (ich zitiere - offenbar in Adventslaune - außergewöhnlich großzügig):

(...) erst mit dem massenhaften Arbeitskräftebedarf der neu entstehenden Industrien im 19. Jahrhundert wird die Loslösung aus der Vorbestimmung möglich: Die Menschen werden »frei, ihre Haut zu Markte zu tragen«, wie Karl Marx gesagt hat. (...) Heute ist nicht mehr die Verkürzung der Arbeitszeit, sondern der Besitz von Arbeit der selbstverständliche Zweck aller Anstrengung - einem Arbeiter des 19. Jahrhunderts, der das Arbeiten noch als fremdbestimmte Zumutung empfand, wäre das ziemlich pervers vorgekommen. (...) So wird das Selbst zu einer permanenten Entwicklungsaufgabe mit festgelegten Stufen und Zielen. Zeit wird zur entscheidenden Kategorie: Mache ich genug aus mir? Was kann, was muss ich herausholen aus meiner Lebenszeit? (...) Das findet sich in der Norm des »lebenslangen Lernens« und des »produktiven Alterns« ebenso wieder wie in den esoterischen Selbstfindungssuchen nach dem »wahren Ich«, dem »positiven Leben«, die systematisch genauso wenig jemals an ein Ende kommen können wie der Selbstausbeutungsfetischismus der Laptopmänner, die alle Züge, Flugzeuge und Wartelounges dieser Welt bevölkern: Alle werden niemals fertig.

Und im gleichen Zusammenhang:

So funktionieren die Abfallerfindungsmaschinen vom Typ Nespresso. Erst setzt sich die absurde Strategie am Markt durch, pro Tasse Kaffee eine aufwendige Kunststoffkapsel mitzuverkaufen und das Produkt so mit einem exorbitanten Preis und einem noch grandioseren Müllfaktor zu versehen. Folgerichtig fällt dann irgendjemandem, zum Beispiel einem ehemaligen Nespresso-Chef, auf, dass hier eine veritable Ökoschweinerei vorliegt, und er beginnt, Ökokaffeekapseln für die Kapselkaffeemaschinen herzustellen. Schwups ist ein Produkt als umweltfreundlich geadelt, das es vor Kurzem noch gar nicht gab und das aufgrund seiner Inexistenz tatsächlich umweltfreundlich war.

Unnötig zu erwähnen (es gibt eben kein richtiges Leben im falschen), dass diese eindringlichen Sentenzen eingebettet sind in dreisteste und geschmackloseste Konsumpropaganda, gemeinhin beschönigend "Werbung" genannt...
Naja. Fröhliche Weihnachten und ungehemmten Kaufrausch wünsche ich allerseits soweit.

senf dazu


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