Ente am Ende
Erwerben und vererben
bringt mancherlei Verderben
Mittwoch, 5. September 2012, 12:56

In der SZ von heute (S. 30) ist zu lesen, dass rund 233 Milliarden Euro (...) im vergangenen Jahr bundesweit vererbt wurden, somit fünf Prozent des gesamten Geldvermögens aller privaten Haushalte in Deutschland. Dies nimmt die Zeitung zum Anlass, Zehn Gebote beim Erben zu veröffentlichen - u.a., um Besteuerungen zu umgehen.

Nun, die wahren Geschichten von Mord und Totschlag rund um große Hinterlassenschaften sind Legion, und nicht selten sind es die Erblasser selber, die noch zu Lebzeiten sogenannten Erbschleichern auf den Leim gehen oder auch vorzeitig zu Tode gebracht werden, da die Hinterbleibenden an ihre Reichtümer wollen. Aber solcherlei "Auswüchse" sollen hier nicht interessieren - die Frage ist, warum überhaupt etwas vererbt werden kann bzw. sollte.

"Nur in ganz wenigen Ausnahmefällen beruht Vermögen auf eigener Leistung", schreibt Sahra Wagenknecht sehr richtig (zit. nach SZ vom 3. 9. 2003, S.3). Das illustriert ganz anschaulich ein Blick auf die Vermögensverteilung in Deutschland für 2007: Die ärmere Hälfte der Bevölkerung (...) besaß (...) nur 1,4 % des Gesamtvermögens und damit weniger als die zehn reichsten Deutschen im selben Jahr. Dies lässt sich wohl kaum allein mit dem größeren Geschick und Fleiß dieser zehn Superreichen erklären...

Wer besitzt denn z.B. hierzulande den Grund und Boden? Die Mehrheit der Menschen hat davon gar nichts und muss im Gegenteil Miete zahlen für ein Dach über dem Kopf; dann gibt es Viele, die immerhin ein Eigenheim mit kleinem Garten zusammengespart haben. Der überwiegende Teil des Grundbesitzes ist aber in den Händen einiger weniger "adliger" Familien - und diese haben ihn geerbt von Vorfahren, die ihn wiederum im Mittelalter unter (vorsichtig formuliert) dubiosen Umständen an sich gebracht haben.

Es gilt also: Die Ungerechtigkeit von heute ist das Erbe früheren Unrechts. *

Und dagegen gäbe es ein ganz einfaches Mittel: eine Erbschaftssteuer von 100 Prozent!

* Gleiches gilt für die Verhältnisse zwischen den Staaten: die "Dritte Welt" von heute sind die Kolonien von einst, die reichen Industriestaaten dagegen die früheren Kolonialstaaten, die andere Länder "erobert" und ihre Bewohner unterdrückt und ausgebeutet haben.


Verteilung des globalen privaten Vermögens im Jahr 2000
(in Prozent pro Zehntel der erwachsenen Bevölkerung)

__________________________________________________________________
Ceterum censeo capitalismum esse opprimendum.*

* "Außerdem bin ich der Meinung, dass der Kapitalismus überwunden werden muss."

senf dazu



arboretum, 2012.09.09, 21:41
Na, da werden sich ja die Erben der kleinen Eigenheime bestimmt freuen, wenn sie dann 100 Prozent Erbschaftssteuer zahlen dürfen.

Landwirte kommen seltsamerweise auch nicht in Ihren Überlegungen vor, die in der Regel auch einiges an Grund und Boden besitzen. Wessen Acker Bauland wurde, hat sich damit dumm und dusselig verdient.

Finden Sie es besser, wenn sich Leute freuen können, dass ein enger Angehöriger gestorben ist?
Ich finde nicht, dass irgendwer einen besonderen Anspruch auf die Besitztümer einer oder eines Verstorbenen hat.

Ich glaube nicht, dass sich darüber jemand freut. Aber die von Ihnen vorgeschlagene Erbschaftssteuer von 100 Prozent würde etliche Erben zu allem Kummer auch noch in den Ruin treiben, weil sie die gar nicht bezahlen könnten. Das macht es bestimmt nicht besser. Erbengemeinschaften verkaufen jetzt schon häufig das ererbte Elternhaus, weil keiner die anderen auszahlen kann. In Ballungsgebieten bekommt man Häuser gut los - aber wer kauft die? Leute, die Geld haben. Eine Umverteilung findet so aber gerade nicht statt. In strukturschwachen Gebieten hingegen lassen sich Häuser nicht so gut verkaufen, aber wie sollten dann die Erben diese hundertprozentige Erbschaftssteuer bezahlen?

Meine beste Freundin wird als Einzelkind eines Tages einmal zwei Häuser in so einem strukturschwachen Gebiet erben: ihr Elternhaus und eins, das einst einer Großtante gehörte. Über dieses Haus sagte sie mir schon einmal vor Jahren, dass sie das nur den Mietern schenken kann (und hoffen, dass die das auch annehmen), denn das Haus koste mehr im Unterhalt, als es Miete einbringe. Sie selbst lebt schon seit ihrer Studienzeit ganz woanders, wird also auch ihr Elternhaus nicht bewohnen wollen und können (dort gibt es keine Arbeit für sie), und wer weiß, ob das 'mal jemand kaufen mag. Das Geld für eine hundertprozentige Erbschaftssteuer hat sie dennoch nicht. Sie zählt nämlich nicht zu den Großverdienern und wohnt selbst auch nur in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung zur Miete.

Auch die Landwirte wären in in Ihrem Modell gezwungen, ihre Höfe aufzugeben. Davon würde allenfalls die - industriellen - Großbetrieben profitieren. Was Sie vorschlagen, funktioniert einfach nicht. Und reiche Leute sorgen ohnehin schon zu Lebzeiten dafür, dass der Besitz steuersparend auf die Nachkommen überschrieben wird. Die bekommen sie mit Ihrem Vorschlag eh nicht dran.

Mein Vorschlag zielt darauf ab, riesengroße Vermögen wieder der Allgemeinheit zuzuführen. Eine Erbschaftssteuer würde schon deshalb Niemanden ruinieren, da sie ja nur auf Vermögen erhoben würde, das vorher jemand Anderem (nämlich dem Erblasser) gehört hat. Und ja, es geht auch darum, den Grund und Boden der Allgemeinheit zurückzugeben, denn auch die "kleinen" Landwirte (und mehr noch die von Ihnen angesprochenen Großbetriebe) haben darauf keinen exklusiven Anspruch.
Und natürlich müsste ebenso eine exorbitante Vermögens- und auch eine Schenkungssteuer her, um die Umgehung einer Erbschaftssteuer zu vermeiden.
Nochmal: es geht nicht darum, kleine private Hinterlassenschaften (Fotoalben, Möbelstücke usw.) zu enteignen, sondern riesige Besitztümer.

Mit Ihrem Vorschlag treffen Sie aber auch die nicht ganz so riesigen Besitztümer, wie eben die Eigenheimbesitzer. Wieso sollten die dauerhaft in den Erhalt ihrer Häuser investieren, wenn die Familien sie letztlich eh verlieren. Dann können sie sie auch irgendwann runterrocken lassen und dem Staat schenken, dann soll doch der zusehen, was er damit macht. Dann sieht es halt überall so aus wie früher in den Innenstädten der DDR.

Gehören die Großbetriebe in der Landwirtschaft denn alle noch Einzelpersonen? Oder sind die nicht zum Teil auch schon im Besitz von Konzernen? Und kann das sein, dass in Ihren Augen die "kleinen" Landwirte so etwas wie die Kulaken zu Sowjetzeiten sind? Kolchosen und Sowchosen waren meines Wissens auch nicht so der Hit.

Eine Erbschaftssteuer würde schon deshalb Niemanden ruinieren, da sie ja nur auf Vermögen erhoben würde, das vorher jemand Anderem (nämlich dem Erblasser) gehört hat.

Das setzt voraus, dass der Betreffende entweder bereits genügen Geld flüssig hat oder aber das Erbe entsprechend gut verkaufen kann (Stichwort: Verkehrswert von Häusern), um die hundertprozentige Erbschaftssteuer überhaupt bezahlen zu können. In dem Beispielfall, denn ich Ihnen nannte - gewiss kein Einzelfall - trifft beides nicht zu.

Bevor Sie übrigens auf falsche Gedanken kommen: Ich erbe weder Haus noch Hof und auch kein Unternehmen oder Kapital.

Die Innenstädte der DDR und auch Kolchosen und Sowchosen sind wenig geeignete Referenzen, da sie eben nicht in einer echt demokratischen (oder meinetwegen echt sozialistischen) Gesellschaftsordnung zustandekamen und existierten.

In einer solchen plebiszitären Gesellschaft wäre die Motivation zum Erhalt des gemeinsamen Eigentums m.E. sehr viel höher - und auch höher als jetzt, wo eben auch Viele mit dem, was ihnen nicht (mit) gehört, eher unpfleglich umgehen...
Und sicherlich wäre es auch in der Landwirtschaft zweckmäßiger, wenn kleine (bzw. alle) Betriebe miteinander wirtschaften würden als in Konkurrenz gegeneinander.

Aber da es leider noch nicht soweit ist, ein Vorschlag zur Güte: wie wäre es mit einem Freibetrag (einem Schonvermögen) von einer Millionen Euro, die von Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer unberührt bliebe?
senf dazu
 

txxx666, 2012.09.10, 13:41

Unter der Verlinkung auf diesen Artikel in meiner Fratzbuch-"Chronik" entspann sich der folgende, etwas entgleisende Wortwechsel:

R*** S***: Eine Erbschaftssteuer iHv 100 % wäre eine faktische Abschaffung des Erbrechts und somit wegen Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1 GG verfassungswidrig ...

Tex Grobi: na, dann meinetwegen 99%...
und ne saftige vermögenssteuer in gleicher höhe

R*** S***: Auch 99 % Erbschaftssteuer wären verfassungswidrig ebenso wie 99 % Vermögenssteuer wegen der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG ... Ich empfehle die Lektüre von Kommentar oder Lehrbuch zum Grundgesetz ...

Tex Grobi: Auch ein Grundgesetz kann und sollte geändert werden, wenn es den Interessen der Mehrheit zuwiderläuft.

R*** S***: Die Mehrheit dürfte ihr Eigentum und Erbrecht wohl behalten wollen ...

Tex Grobi: Wohl kaum, wenn durch eine Änderung der Vermögensverhältnisse die Mehrheit hinterher mehr bzw. sehr viel mehr hätte als vorher.

R*** S***: Das wird sie wohl kaum haben, siehe Nordkorea ... Auch deshalb tippe ich auf ein Abstimmungsergebnis von circa 99 % für die Beibehaltung der Grundrechte auf Eigentum und Erbrecht und gegen die Wiedereinführung der Sklaverei ...

Tex Grobi: Was ist das denn für ein Schwachsinn? Plebiszitäre Demokratie nennst du Sklaverei?
Es geht darum, VermögensUNTERSCHIEDE auszugleichen... Mann, Mann, Mann, ich denke, du hättest studiert?

R*** S***: Die Abschaffung von Eigentum und Erbrecht würde faktisch eine Versklavung des Volkes zu sich führen, denn niemand wäre ohne die Aussicht auf Vermögensbildung zur Arbeit motiviert, müsste also dazu gezwungen werden. Studiert habe ich tatsächlich, sogar promoviert. Im Übrigen bitte ich um eine respektvollere Wortwahl, Begriffe wie "Schwachsinn" tendieren zur Beleidigung (§ 185 StGB).

R*** S***: Aber du wirst mich wohl missverstanden haben ... hoffentlich ...

Tex Grobi: ‎"niemand wäre ohne die Aussicht auf Vermögensbildung zur Arbeit motiviert"? Tatsächlich? Das wage ich aber sehr zu bezweifeln... Tatsache ist, dass viele Menschen heutzutage gezwungen sind, für den täglichen Broterwerb die unwürdigsten Dinge zu tun, ohne jegliche Aussicht, jemals ein Vermögen zu erwerben; Tatsache ist aber zum Glück auch, dass viele Menschen auch ohne Aussicht auf Vermögensbildung freiwillig für andere Menschen etwas tun, z.B. bei einem Umzug helfen oder sich ehrenamtlich engagieren usw.
In einer halbwegs gerechten Welt würden natürlich auch unangenehme, aber notwendige Tätigkeit höher entlohnt als einfache und angenehme Verrichtungen. Was aber nicht sein darf und kann: dass Menschen von ererbten Vermögen und Zinsen, ohne selbst jemals einen Finger krumm zu machen, in Saus und Braus leben, während Andere schuften, darben und hungern. Sind wir uns in diesem Punkt wenigstens einig?

R*** S***: Wie wärs mit einer Entschuldigung wg. der Schwachsinnsattacke?

Tex Grobi: Oje - bevor mich am Ende noch irgendein kleinlicher Wicht wegen § 185 StGB vor Gericht zerrt, möchte ich mich bei Ihnen, Herr Dr. S***, aufs Allerzerknirschteste um Vergebung ersuchen - bitte verzeihen Sie mir, dass ich Ihre hochkompetente Äußerung (Änderung der Vermögensverhältnisse = Wiedereinführung der Sklaverei) in einem Zustand geistiger Umnachtung in Zweifel ziehen konnte, und haben Sie bitte bitte Gnade mit mir unwürdigem Wurm, der dafür gerne für Frondienste aller Art in einem Ihrer Haushalte zur Verfügung stehen möchte, um diese nichtwiederguzumachende Schuld wenigstens teilweise abzutragen - dürfte ich z.B. Ihre herrliche Rosette mit meiner ansonsten völlig nutzlosen Zunge von Verdauungsresten befreien?

R*** S***: Erst Gesetzesvorschläge ohne jegliche rechtliche und volkswirtschaftliche Kenntnisse machen und dann denjenigen, welcher ihn kraft seines Fachwissens unentgeltlich auf die eigenen Denkfehler hinweist, wüst beschimpfen! Klarere Beweise des Fehlens sozialer Kompetenz und der zerstörerischen Wirkung jahrelangen massiven Drogenmissbrauchs auf die Gehirnleistung hättest du nun wirklich nicht abliefern können! … Noch nie ist mir ein derartig intolerantes und sozialneidisches Individuum wie Tex Grobi begegnet …

Tex Grobi: Könnte es sein, Herr Dr. S***, dass Sie (neben Ihrem ungeheuren Fachwissen) selbst ein größeres Erbe erwarten bzw. bereits verwalten? :D

To be continued...?

Der mir flüchtig bekannte Herr, der mir so großzügig unentgeltlich sein Fachwissen zur Verfügung stellen wollte, hat übrigens nicht etwa Jura und/oder Volkswirtschaft studiert, sondern Philosophie und Germanistik...

senf dazu
 
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