Ente am Ende
Motzen, Kotzen, Fernsehglotzen!
Mittwoch, 26. August 2009, 07:36

Trotz Veronica Ferres, die sich ja schon in so berüchtigten Verfilmungen wie Das Superweib oder Die Frau vom Checkpoint Charlie als neue Inge Meysel („Mutter der Nation“) qualifizierte und auch hier wieder so eine vermeintliche Mutter Courage gibt (in Brechts gleichnamigem Stück zeichnet sich die Titelfigur ja eben weniger durch eine besonders "mutige" als vielmehr eine pragmatisch-angepasste Haltung aus), hat mir der gestern um Viertel nach Acht auf 3sat wiederholte erste Teil von Neger, Neger, Schornsteinfeger!, einem Fernsehzweiteiler von 2006 (zweiter Teil am Donnerstag) ganz gut gefallen. Zwar wirkten alle Figuren zunächst etwas holzschnittartig, aber da die ganze Geschichte auf den authentischen Kindheitserinnerungen von Hans-Jürgen Massaquoi beruht (der immerhin in seinem späteren Leben als Journalist noch mit Personen wie Martin Luther King, Malcolm X und Muhammad Ali zusammenkam und mit Letzterem sogar befreundet sein soll), darf man davon ausgehen, dass die Leute im Hamburg der 1930er Jahre eventuell wirklich so waren (bzw. auf einen Grundschüler so wirkten) wie dargestellt. (U.a. spielen Jürgen Tarrach und Götz Schubert recht überzeugend die "gutmeinenden", am Ende aber natürlich doch scheißfeigen Nazi-Kader.) Und auch, wenn das mit schauspielernden Kindern ja oft so eine Sache ist - die Geschichte von dem kleinen nichtarischen Jungen, der unbedingt der Volksgemeinschaft zugehören will, ist schon teilweise anrührend.
Interessant an Massaquois weiterer Biographie, wie sie bei Wikipedia kurz skizziert ist, fand ich außerdem noch die Tatsachen, dass er wohl seit Jugendzeiten mit Ralph Giordano befreundet ist und außerdem seine (ihm allerdings zeitlebens unbekannte, obwohl ganz in der Nähe ebenfalls in Hamburg aufgewachsene) "Halbtante" Good Ol´Lady Fasia Jansen war, die mir persönlich in zugegebenermaßen nicht so guter Erinnerung ist mit einem in den frühen 1980ern auf den damaligen Ostermärschen unvermeidlichem Song ("Rampedampedudel - Atomraketen - Verschleuderte Moneten - Ihr seid noch viel zu leise" usw.), aber wohl früher auch u.a. mit Joan Baez und Hannes Wader aufgetreten ist (und als 14jährige im KZ Neuengamme interniert war)...
Ein ebenfalls aufschlussreiches afrodeutsches Schicksal dieser Jahre ist übrigens das von Hilarius Gilges, der (obendrein Kommunist) bereits 1933 gerade mal 24jährig in Düsseldorf einem Hassverbrechen zum Opfer fiel.

senf dazu



chudn, 2009.08.26, 15:24
Viele Kontakte, "aufregendes Lebens" sicherlich, aber m. E. war diese negerleingeschichte in keiner weisen besser als andere TV-produktionen, wie die über den 'bombenholocaust dresden', checkpoint charly etc. - ich muss da immer brechen!! ;-))
senf dazu
 

jean stubenzweig, 2009.08.26, 15:41
Ich scheue solche Menschenschicksalsverfilmungen durchweg, selbst wenn sie via 3sat ausgestrahlt werden. Wenn dann auch noch Frau Ferres mit draufsteht, schreckt mich das noch mehr ab. Ich lese lieber darüber, das bringt mir mehr, da kann ich mich ggf. weiterinformieren. So wie jetzt bei Ihnen: Gilges, Jansen, Massaquoi waren mir alle drei kein Begriff. Danke.
senf dazu
 
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