Ente am Ende
Vom demokratischen Umgang mit ideologischen (z.B. religiösen) Minderheiten
Donnerstag, 17. Januar 2013, 04:35

Nehmen wir einmal an, wir hätten in einer hoffentlich nicht allzufernen Zukunft eine weltweite Demokratie, und es würde sich herausstellen, dass z.B. in einem bestimmten Landstrich die Mehrheit der Leute nach den Gesetzen der Scharīʿa (oder auch streng nach der Bibel) zu leben wünschte (was ich persönlich für wenig wahrscheinlich hielte, da ich glaube, dass der radikale Islam wie das radikale Christentum und überhaupt exklusivistisch-eliminatorische Ideologien nur deswegen so viel Zulauf haben, weil allzu vielen Menschen, unterdrückt und ausgebeutet, außer ihrem Glauben an eine heilsbringende Lehre, in der sie selber zu den Auserwählten gehören, wenig zum Leben und Hoffen bleibt, was in einer selbstverfassten und selbstbestimmten Gesellschaft gänzlich anders aussehen dürfte; aber nehmen wir es einmal an) – hätte ein insgesamt mehrheitlich andersdenkender ("aufgeklärterer") Rest der Welt das Recht, diesen Leuten mit Gewalt ihren Willen zu verweigern und die eigenen Werte aufzuzwingen? Könnte das überhaupt funktionieren?
Nein – der Rest der Welt hätte dann nur die Pflicht, jene, die möglicherweise vertrieben werden, weil sie eine unislamische (oder unchristliche) Lebensweise pflegen, um so freundlicher aufzunehmen (wobei unbegrenzte Reisefreiheit und ein totales Aufenthaltsselbstbestimmungsrecht in einer weltweiten Demokratie ohnehin selbstverständlich sein sollten) und ansonsten den Fanatikern ihren zahlenmäßigen Anteil am weltweiten Grund und Boden zu überlassen – sollen sie doch sehen, was sie davon haben und wie weit sie damit kommen.
Aber wie gesagt: ich glaube kaum, dass es jemals so weit kommen könnte in einer echten Demokratie, die ja den Ausgleich befördern und nicht den ständigen Kampf ("Wettbewerb") ums Dasein - Mann gegen Mann und Rotte gegen Rotte - erfordern würde.
Aber das Gedankenspiel hilft vielleicht, die heutigen Konfliktlinien (und die Argumentationsfiguren rund um die fleißig geschürte Angst vor der düster heraufbeschworenen islamischen Gefahr) gerecht einzuschätzen – wobei über die ökonomischen (heißt: real-kapitalistischen) Hintergründe der medial vermittelten Oberfläche noch gar nichts ausgesagt wäre.

Aber jetzt: Unter dem Vorwand der Menschenrechte werden in Mali und im Irak und in Afghanistan (und wurden in vielen anderen mehrheitlich islamischen Ländern, zuletzt in Libyen, und werden demnächst wahrscheinlich auch in Syrien und womöglich auch im Iran) natürlich "westliche" (bzw. "atlantische") wirtschaftliche und weltmachtpolitische Interessen in asymmetrischen Vernichtungskriegen knallhart durchgesetzt - ohne Rücksicht auf Verluste.

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Ceterum censeo imperialismum esse opprimendum.*

* "Außerdem bin ich der Meinung, dass der Imperialismus überwunden werden muss."

senf dazu


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