Ein Quiz-Alptraum
Es ist bereits jetzt eine historische Sendung, wie Moderator Alexander Bommes mit routinierter Begeisterung ausruft, denn die ersten drei Kandidat:innen haben ordentlich vorgelegt, sich nämlich allesamt in den “Fünftausenderclub” gequizzt und dann gezockt und gewonnen; so liegen also schon sagenhafte achtzigtausend Euro auf dem Konto. Und nun kommt der vierte und letzte Kandidat: Ole, Sozialpädagoge aus Oldenburg.
Bei der Vorstellung erläutert er seine spezielle Strategie: Möglichst schnell sein, um etwaige falsche Antworten durch Tempo wettzumachen. Seine Schnellraterunde läuft dann aber irgendwie gar nicht gut, und am Ende der sechzig Sekunden hat er tatsächlich keine einzige Frage richtig beantwortet; damit das Spiel für ihn weitergehen kann, bekommt er deshalb fünfhundert Euro “geliehen”, die laut Reglement im Gewinnfall wieder abgezogen würden.
Der heutige Jäger Sebastian Klussmann, genannt "der Besserwisser”, macht sich den Spaß, angesichts der bereits sehr hohen potentiellen Gewinnsumme nach unten eine kleine (in Wahrheit natürlich ziemlich große) Frechheit anzubieten: Minus siebzigtausend Euro! Nach oben dagegen (um auf Hundert aufzurunden und angesichts des erspielten – beziehungsweise ja eben nur geliehenen – Ausgangsbetrages immerhin eine großzügige Vervierzigfachung): Zwanzigtausend Euro!
Aber das ist Ole zu wenig; wie er leicht indigniert feststellt, hätte seine Vorgängerin ja schon Dreißigtausend angeboten bekommen (die hatte allerdings auch sensationelle Sechstausend in ihrer Schnellraterunde geschafft). Stattdessen würde er, “um das Team im Finale unterstützen zu können” (Kameraschnitt auf fassungslose Gesichter dortselbst wie beim Moderator), “doch lieber runtergehen”; zehntausend Euro seien schließlich auch eine ganze Menge Geld, und zu viert hätten sie doch noch viel größere Chancen als zu dritt. (Er scheint das tatsächlich zu glauben.)
Mit versteinerten Mienen müssen die anderen drei Kandidat:innen nun miterleben, wie Ole im Einzelduell wieder rein gar nichts weiß, hin und wieder allerdings zufällig richtig rät und sich so im Schneckentempo der Finalteilnahme nähert, während der Besserwisser feixend und sich immer mehr beömmelnd stets die bescheuertste und falscheste Antwort auswählt, um – wie er jedesmal variantenreich betont – am Ende nicht um Achtzig-, sondern eben nur um Zehntausend Okken spielen zu müssen.
Uns so kommt es, wie es kommen musste: Im Finale buzzert Ole unbeirrt weiterhin seiner vermeintlich genialen Strategie folgend immer sofort los, um dann natürlich mehr oder weniger falsch zu liegen; ist ihm einer der Kollegen in wachsender Verzweiflung beim Buzzern zuvorgekommen, ruft Ole seine plötzlich sogar einmal richtige Antwort unberechtigterweise in die Runde und ruiniert so auch die richtigen Repliken der Anderen, die sich zunehmend empört und schließlich schon unangenehm in Ton und Lautstärke bemühen, ihn von seinem kontraproduktiven Treiben abzuhalten – freilich ohne den geringsten Erfolg. Am Ende der zweiminütigen Finalrunde stehen dann die vier Zähler vom Anfang; kein einziger Punkt ist dazugekommen. “Klussi”, dem inzwischen auch das Lachen vergangen ist, beendet das Desaster gnädigerweise sang- und klanglos mit einem Durchmarsch innerhalb von fünfzehn Sekunden – ein neuer Rekord.
Es soll dann aber trotzdem noch ein sehr schöner Abend geworden sein.
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