Ente am Ende
Til lykke med fødselsdagen
Dienstag, 4. August 2009, 17:37

Hier schon etwas älter...Wäre heute 150 Jahre alt geworden: Knut Hamsun, ein erklärter Lieblingsschriftsteller meines Lieblingsschriftstellers Charles Bukowski und Autor von so großartigen Romanen wie z.B. den beiden Erstlingswerken Hunger und Mysterien; später (1920) Literaturnobelpreisträger und noch sehr viel später (mit einsetzender Senilität?) dann als norwegischer Nazi-Kollaborateur unrühmlich hervorgetreten, wozu Brigitte Kronauer in ihrem heutigen Nachruf in der SZ schreibt:
Wie ist es möglich, dass der Schöpfer einer solchen unheroisch irisierenden, unzuverlässigen, strukturell denkbar nicht-faschistoiden Wappengestalt ausgerechnet zum Anwalt Hitlers in Norwegen wurde? (...) Das überaus Schmerzliche des Tatbestandes an sich und an der Rede des Hochbetagten vor Gericht besteht darin, dass er, nach Zwangsaufenthalt in Altersheim und Irrenanstalt, bei seiner Verurteilung 1947 ohne Einsicht bei seiner monströsen Fehleinschätzung blieb und also in Hitler (den er auf dem Obersalzberg besucht hatte, um ihm ins Gewissen zu reden, so dass der Getadelte ihn rauswarf) bis zuletzt eine Weltanschauung verteidigte, die er wie vermutlich kein zweiter literarisch sein ganzes Leben lang bekämpft und bis in den Zellkern zersetzt hatte!
Traurig, wenn nicht gar tragisch. Trotzdem: Als Schreiber war er ein Ass (wenn auch evtl. als Mensch, zumindest in seinen letzten Jahren, ein Arsch Aas).

senf dazu



chat atkins, 2009.08.09, 11:32
Mein Eindruck ist, dass der halbtaube Mann und 'Anti-Amerikaner' sich auf seinem norwegischen Bauernhof eine Art 'Privat-Faschismus' zusammengezimmert hatte, der mit dem 'real existierenden Faschismus' des Herrn Adoof Schicklgruber nicht mehr viel gemein hatte. Weshalb ihn der entnervte GröSchwaZ bei jenem legendären Besuch ja auch nach möglichst kurzer Audienz hochkant aus dem Berghof kegelte, im ersten Moment, als dies ging, ohne Skandal zu erregen.

Von den späteren Texten wären zumindest 'Die Weiber am Brunnen' und 'Landstreicher' ohne Einschränkung zu empfehlen. Selbst 'Segen der Erde' bleibt doch eher ein schlichter Siedler-Roman als jene Blut-und-Boden-Epopoe, die gewisse Interpreten von rechts und links mit Bewunderung bzw. Abscheu daraus zu köcheln versuchten. Wir wollen auch nicht vergessen, dass Hamsuns größter Bewunderer in Deutschland Kurt Tucholsky hieß ...

Tatsächlich - und dabei befand er sich in guter Gesellschaft. Dazu schreibt Wolfram Schütte im "Titel-Magazin":
Sein glühendster deutscher Verehrer, Kurt Tucholsky, hat gerade noch erlebt, wie der geliebte Hamsun seinen ins KZ geworfenen “Weltbühnen“-Freund Carl von Ossietzky (der Hamsun ebenso schätzte!) verhöhnte, als diesem der Friedensnobelpreis verliehen wurde. Fraglich, ob die deutschen Bewunderer von “Old King Cnut“ (James Joyce), zu denen auch Hesse, Musil, Schnitzler und Einstein gehörten, die zahlreichen rassistischen und antisemitischen Ausfälle in dessen Büchern überlesen hatten.
Hatten sie? Und wir auch? Nochmal nachlesen gelegentlich...


Jaja - aber bitte dann auch weiterlesen nach diesen Sätzen. Von Thorkild Hansen - hieß der so? - gibt es eine sehr detaillierte Biographie, gerade aus der Zeit der Beweiserhebung und des Prozesses. Demnach wurde der halbtaube und halbblinde Knut Hamsun möglichst 'braun' geschminkt, um ihn für die allgemeine Kollaboration der norwegischen Nation unter Quisling haftbar zu machen und alle anderen reinzuwaschen. Denn Norwegen war ja nicht gerade ein Land der Résistance gewesen. Man opferte Hamsun, dessen Schuld sich im Kern auf zwei, drei Zeitungsartikel und auf den erwähnten Besuch reduzierte, um sich vor der dunklen Folie als Nation möglichst engelsgleich abzuheben: Es gab plötzlich nur noch Widerstandskämpfer - und Hamsun. Denunciare humanum est ...
senf dazu
 
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