
Aber es ist zumindest etwas ruhiger geworden um die Protestbewegung - naturgemäß. Der Reiz des Neuen ist verflogen, die mediale Aufmerksamkeit lässt spürbar nach und richtet sich auf neue Themen; die ersten Camps sind geräumt worden, und in den verbliebenen lässt der Schwung nach und nimmt die Kälte zu. In Düsseldorf gibt es zwar weiterhin ein wackeres Häuflein Aktivist_innen, die nicht nur das Zeltlager am Martin-Luther-Platz aufrechterhalten und jeden Samstag ab 15 Uhr vom Hauptbahnhof über die Kö und durch die Innenstadt ziehen, sondern auch immer wieder spontan (so heute ab 18 Uhr aus Solidarität mit den Demonstrant_innen auf dem Tahrir-Platz in Kairo) den Protest in vielfältiger und phantasievoller Form auf die Straße tragen - aber obwohl sie die 99 Prozent vertreten (möchten), machen sie leider momentan eher 0,01% der Bevölkerung aus.
Das mag mehrere Gründe haben - Frustration über die vermeintliche Wirkungslosigkeit des eigenen Engagements, ideologische Differenzen, individuelle Querelen, eben die viel zitierten "Mühen der Ebene"; vielleicht aber war und ist es aber auch ein Fehler gewesen, sich von vornherein so deutlich gegen alle etablierten Parteien und Gruppen abzugrenzen. Natürlich kann es nicht angehen, dass dubiose Politsekten wie BüSo oder obskure Vereine wie das "Zeitgeist Movement" oder gar Rechtsextreme erfolgreich auf diesen Zug aufspringen; aber andere Organisationen wie Linke und Piraten, ATTAC und Greenpeace, Gewerkschaften und Anarchosyndikate u.v.a. haben z.T. lange und wertvolle Erfahrungen mit dem Widerstand gegen das verhasste korrupte System und sollten daher nicht per se ausgegrenzt werden. Gerade in Düsseldorf bin ich immer wieder erstaunt, dass ausgerechnet die, welche manchmal als "Berufsdemonstrant_innen" belächelt werden, weil sie auf kaum einer Veranstaltung fehlen, bei Occupy nicht zu sehen sind; da wären noch sehr viel mehr Synergieeffekte möglich und wünschenswert.
Zum Schluss noch ein paar aufmunternde Worte von mir altem Protest-Veteranen: Natürlich könnte es sein, dass Occupy jetzt bald in einen Winterschlaf verfällt (schließlich sind wir nicht mit ägyptischen oder tunesischen Temperaturen gesegnet, und ist der Geist auch noch so willig, das Fleisch ist manchmal einfach zu schwach). Ich erinnere mich z.B. an den Studentenstreik 1997, der von November bis Mitte Dezember regelrecht tobte, dann aber nach den zweiwöchigen Weihnachtsferien einfach erloschen war.
Aber es gibt auch andere Erinnerungen: Am 10. Oktober 1981 fand in Bonn die bis dahin größte Demo in der Geschichte der BRD statt, mit 300.000 Teilnehmer_innen; und schon acht Monate später, im Sommer darauf, gab es an gleicher Stelle eine sogar noch größere Demonstration, diesmal sogar mit 400.000 "Friedensbewegten"...
Also: Auf einen milden Winter - und einen weltweiten Frühling der Echten Demokratie!
________________________________________________________________
☞ Ceterum censeo capitalismum esse opprimendum.*
* "Außerdem bin ich der Meinung, dass der Kapitalismus überwunden werden muss."
schon 1042 x druppjeklickt
➥ Zur Petition Weiterentwicklung: Demokratie
➥ Das Prinzip Permanentes Plebiszit
We were all just hanging around waiting to die and meanwhile doing little things to fill the space.
Charles Bukowski