Ente am Ende
Bedenkenswertes von Herrn Peltzer
Freitag, 23. Dezember 2011, 14:35

Und abermals ein Lesetipp* - diesmal handelt es sich um die achtseitige Dankesrede des diesjährigen Heinrich-Böll-Preisträgers Ulrich Peltzer, seines Zeichens Schriftsteller und studierter Psychologe sowie (im Nebenfach) Philosoph, von dem ich zwar bis eben auch noch keine Zeile gelesen hatte, dessen Ausführungen (von denen ich im folgenden vor allem die beiden letzten Seiten widergebe) mir aber durchaus referierenswert erscheinen:

Die eigene Konkurrenz stets im Nacken, schwirren die Gelder, die Kapitale, um den Globus auf der Suche nach Plätzen, nach Regierungen, politischen Strukturen, die ihnen das Leanste garantieren, und sich mit solchen Petitessen wie Arbeits- und Umweltschutz, Mindestlöhnen oder geregelten Arbeitszeiten erst gar nicht beschäftigen, beziehungsweise, versteht sich, unabhängige Gewerkschaften für kriminelle Organisationen halten. Oder sie kurzerhand dazu erklären.
(...)
Yang Jie, ein achtzehnjähriger Arbeiter, der in Südchina von morgens acht bis abends acht die Silberrahmen für iPhones herstellt, im Gestank einer nicht klimatisierten Fabrikhalle, gibt folgendes zu Protokoll: „Die Firma hatte versprochen, dass wir alle zwei Stunden eine zehnminütige Pause machen können. Aber das war gelogen. Wenn ich ins Wohnheim zurückkomme, zittern meine Beine vor Erschöpfung. Ich habe niemals ein iPhone gesehen, werde auch nie die Chance haben, eins zu benutzen. Ich bin nicht stolz, iPhones zu produzieren. Alles, was ich dem Vorstandschef von Apple sagen will, ist, die Arbeiter nicht länger so auszubeuten.“ Wozu die Rechnung passt, dass Apple auch dann noch 50 Prozent Gewinn bei jeden [sic!] iPhone erzielen würde, wenn das Unternehmen den chinesischen Arbeitern zehnfach höhere Löhne zahlen würde. Dass nach einer Reihe von Selbstmorden alle Beschäftigten in den Zulieferbetrieben des HighTec-Giganten sich jetzt schriftlich verpflichten müssen, keine Gewalt an sich selber zu verüben, und dass man Netze zwischen den Gebäuden aufgespannt hat, um Sprünge von den Dächern unmöglich zu machen, ist die grotesk brutale Wirklichkeit einer Welt, in der - und Apple ist nur ein Fall unter vielen vielen vergleichbaren - in der die Zukunftsvisionen der einen die unentrinnbaren Schreckenszustände der anderen sind, in der glänzende Performances auf dem Börsenparkett erkauft werden mit der Gesundheit und dem Glück von Abermillionen Menschen.

Zur weiteren Lektüre empfohlen.

* Ob das an meiner eigenen Jahresendermattung liegt, dass ich fast nur noch auf fremde Federn verweise?
Aber jedenfalls sollten in diesen Tagen die Allermeisten doch über ein bisschen Muße für - und dringendes Bedürfnis nach - etwas gehaltvollen/m Schmöker(?)stoff verfügen...

senf dazu


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