Ente am Ende
Appetit gut, alles gut
Donnerstag, 26. Januar 2012, 09:26

Einer der interessanteren Aspekte am "Dschungelcamp", dem zur Zeit wieder aktuellen RTL-Format für (freundlich ausgedrückt) Schadenfreudige, ist ja der öffentlich zelebrierte Ekel, wenn die halbwegs bekannten Insassen Kakerlaken, Mehlwürmer und anderes (teils noch lebendes) Getier verspeisen sollen und dies auch überraschend häufig tun, wobei ihnen (seitens des alten "Mad-Max"-Veteranen Dr. Bob, nicht zu verwechseln mit dem gleichspitznamigen Mitbegründer der Anonymen Alkoholiker) stets versichert wird, die australischen Ureinwohner würden ebenso verfahren.
Nun wäre es z.B. für einen durchschnittlichen Hindu sicherlich sehr viel abstoßender und barbarischer, ein fettes Rindersteak zu sich zu nehmen, als Kakerlakenburger oder Mehlwurmrisotto; und tatsächlich sind die Gepflogenheiten, welcherart (bzw. welcher Herkunft) die Proteine sind, die wir zu uns nehmen, ja hauptsächlich kulturell vermittelt. Vielen Europäern würde es z.B. gar nicht einfallen, Hunde zu essen, und sie empören sich über Kulturen (wie die chinesische), in denen dies angeblich gang und gäbe wäre; dabei ist das (gern gegessene) normale Hausschwein nachgewiesenermaßen intelligenter und gelehriger und alles in allem dem Menschen entwicklungsgeschichtlich vielleicht sogar näher als die blöden Wauwaus, die uns ungestraft alle Bürgersteige vollscheißen.
Wenn wir dieses Kriterium der phylogenetischen Nähe generell anlegen würden, ergäben sich jedenfalls ganz andere ethische Konsequenzen für die Ernährung. Der Verzehr von Menschenfleisch gilt heutzutage offiziell weltweit als verpönt - aber ist es nicht (auf einer Skala) ebenso sehr viel "kannibalischer", ein Säugetier um des Verzehrs willen zu töten, als einen ferneren (eierlegenden) Verwandten wie z.B. ein Huhn? Und dieses (landbewohnende und luftatmende) Tier liegt uns immerhin wiederum näher als ein Fisch, der jedoch - im Gegensatz zum Insekt - immerhin noch ein Wirbeltier und insofern im Vergleich ein näherer Vetter ist.
Und streng genommen sind wir über die ersten Einzeller, die dahingehend noch nicht spezialisiert bzw. "aufgespalten" waren, auch mit allen pflanzlichen Lebewesen verwandt und sollten sie vielleicht menütechnisch verschonen. (Dies ist übrigens der Standpunkt der Frutarier_innen, die nur das zu sich nehmen wollen, was Pflanzen freiwillig von sich gegeben haben, also etwa - abgefallene, nicht gepflückte - Früchte wie Obst und Nüsse, wobei meiner Meinung nach unter diesem Gesichtspunkt auch der Konsum von Aas aller Art bis hin zu Chirurgieabfällen oder überhaupt menschlichem Leichenfleisch - einer noch viel zu wenig verwerteten, sehr reichhaltigen Ressource - nicht verwerflich wäre.)
Aber zurück zum anderen Ende unserer Kannibalismus-Skala: In Berlin wurde dieser Tage ein Banker(!) von Hartz-IV-Empfänger(!!) zerlegt und gekocht, was ich persönlich in mehrerlei Hinsicht geschmacklos finde, was mich aber auch an den schönen Film Eat the Rich von 1987 erinnert (hier bei YouTube sogar komplett und am Stück zu sehen), in dem eine muntere Truppe von Anarchist_innen die gutbetuchten Gäste ihres Nobelrestaurants selber auf die Speisekarte setzt und in dem u.a. Paul McCartney, Bill Wyman, Shane MacGowan (der Sänger von The Pogues mit den schlechten Zähnen), Wendy O. Williams (Frontfrau der großartigen Plasmatics und militante Vegetarierin; s. Bild oben) sowie Lemmy Kilmister von Motörhead mitspielen; Letzterer hat auch den nicht ganz unbekannten gleichnamigen Titelsong beigesteuert.

senf dazu


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