Ente am Ende
Offener Brief an Michel Friedman
Mittwoch, 12. September 2012, 02:28

Düsseldorf, den 12. 9. 2012

Sehr geehrter Herr Friedmann,

Sie haben gestern in Düsseldorf eine (wie ich finde) ziemlich gute Rede gehalten, in der Sie jeden Einzelnen in die Pflicht nahmen, gegen rechte Gewalt - und zwar bereits bei deren Anfängen, der Verächtlichmachung bestimmter Personengruppen - aufzustehen und einzutreten.

Ich hätte Sie allerdings gerne gefragt, ob Sie mit diesem Anliegen nicht in der falschen Partei sind; immerhin war es die CDU/CSU (neben der FDP), die nach 1945 vielen ehemaligen hochrangigen Nazis den Weg in die Parlamente der BRD geebnet hat - etwa dem Kommentator der Nürnberger Rassengesetze Hans Globke, der unter Adenauer Chef des Bundeskanzleramts wurde, oder Kurt Georg Kiesinger, Bundeskanzler 1966 bis 1969, der für seine NSDAP-Mitgliedschaft von Beate Klarsfeld öffentlich geohrfeigt wurde; und es war auch die CDU/CSU, die Willy Brandt einst im Wahlkampf als "Vaterlandsverräter" denunzierte, weil dieser im Widerstand gegen Hitler aktiv gewesen war.

Sie haben auch kurz an die rechtsradikalen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen vor 20 Jahren erinnert; aber wie haben Sie sich eigentlich seinerzeit gegenüber ihrem Parteifreund Rudolf Seiters positioniert, der die Pogromszenen als Legitimation nahm, eine massive Einschränkung des Asylrechts durchzusetzen?

Auch hätten Sie vielleicht ein wenig auf die ökonomischen bzw. kapitalistisch-systemischen Funktionen und Interessen rechter Politik eingehen können; gerade hier in Düsseldorf sicherte sich Hitler 1932 im Parkhotel die Sympathien und die Unterstützung des deutschen Industriellen-Clubs, der dann von seiner Politik der Arisierung und Hochrüstung profitierte - so wie heute die parlamentarischen Arme der deutschen Wirtschaft (also v.a. FDP und CDU/CSU) nach dem alten imperialistischen Motto divide et impera mit Stimmungsmache gegen Ausländer die Unterdrückung und Ausbeutung der eigenen und anderer Bevölkerungen betreiben.

Ich fände es schön, wenn Sie Ihren Worten Taten folgen ließen und aus dieser rechtesten Partei im Bundestag austreten würden.

Mit freundlichen Grüßen usw.
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Ceterum censeo capitalismum esse opprimendum.*

* "Außerdem bin ich der Meinung, dass der Kapitalismus überwunden werden muss."

senf dazu


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