Ein immer wieder vorgebrachtes Argument gegen das Plebiszit ist, dass die (als dumm angesehene) Mehrheit dann als erstes die Todesstrafe wieder einführen würde.
Nehmen wir diesbezügliche Umfrageergebnisse ruhig einmal ernst (ungeachtet dessen, dass es eben einen großen Unterschied macht, ob ich eine folgenlose Umfrage beantworte oder im konkreten Fall Mitverantwortung über Tod oder Leben eines Mitmenschen übernehmen soll). Warum sollte die Todesstrafe auch ein Tabu darstellen? In einer plebiszitären Rechtsprechung hätte eben auch jeder, der sich betroffen wähnt, eine gleiche Stimme – und sollte der Extremfall eines offenbar unverbesserlichen, gemeingefährlichen, sadistischen Schlächters vor Gericht sitzen, mag es geschehen, dass sich eine Mehrheit für dessen Tötung ausspricht, so bitter dies für die Minderheit der Todesstrafengegner dann auch wäre.
Viel öfter aber dürften die Fälle vorkommen, in denen das Publikum – dass sich, da es selber zu entscheiden hat, auch intensiver mit dem Fall beschäftigt – angesichts der geschilderten Situation in tiefes Grübeln verfällt, Mitleid nicht nur mit dem Opfer, sondern auch mit dem Täter empfindet, und dass am Ende einer Verhandlung statt einer allseits unbefriedigenden, weil sinnlosen Haftstrafe vielleicht ein Ansatz zu Wiedergutmachung steht – etwa, wenn sich ein reuiger Mörder glaubhaft verpflichtet, die Eltern seines Opfers fortan und im Alter zu unterstützen und zu pflegen und diese dem zustimmen… Dies mag allzu konstruiert klingen, soll aber nur ungefähr die Richtung aufzeigen, in die ein Täter-Opfer-Ausgleich gehen könnte, wenn Rechtsprechung durch die Allgemeinheit geleistet wird und nicht mehr wie heute wenigen Berufsjuristen obliegt, die obendrein gezwungen sind, nach teilweise veralteten, vielfach nach Herrschaftsinteressen verfassten Gesetzeswerken zu urteilen.
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Charles Bukowski