Ente am Ende
Höhere Finanzmathematik:
Leitzinsen, Strafzinsen und Deflation
Donnerstag, 5. Juni 2014, 21:40

Was bedeutet es, wenn die EZB die Leitzinsen auf ein "historisches Tief" (0,15%) absenkt und für Einlagen sogar negative Zinsen (also ein Art Strafgebühr in Höhe von 0,1%) erhebt?

Preisverfall bringt Stillstand, nur Teuerung bedeutet Wachstum, schreibt die Süddeutsche Zeitung und meint: Inflation muss her - um jeden Preis. Das Handelsblatt meldet: Sparer fürchten um ihr Vermögen, und das Neue Deutschland zitiert Sahra Wagenknecht mit den Worten, Kanzlerin Angela Merkel und EZB-Chef Mario Draghi »spielen zusammen für das Team der Finanzlobbyisten« und plünderten die Sparkonten.

Tatsächlich ist das Phänomen der Deflation anscheinend ein komplexes; Marx hat offenbar nichts dazu geschrieben, und auch historisch gibt es wohl wenig Erfahrung. Negative Zinsen finden sich allerdings in der Freihandelslehre des (aus verschiedenen Gründen sehr umstrittenen) Silvio Gesell; dort gelten sie als probates Mittel, gehortetes Geld wieder in Umlauf zu bringen. Und beim ersten Nachdenken klingt es ja auch logisch: wenn das Zinssystem für die immer weiter klaffende Schere zwischen Reich und Arm (= Mächtig vs. Ohnmächtig) verantwortlich ist, dann sind niedrige Zinsen (oder besser noch: gar keine, und am besten: negative) Zinsen doch wohl gut für jene Vielen, die nichts (oder sogar Schulden) haben.

Allerdings zeigt der heutige Höhenflug des DAX, dass von solchen schwer durchschaubaren Manipulationen zuallererst immer die Experten für Abzocke an den Börsen profitieren, während die sprichwörtlichen Kleinsparer in die Röhre kucken.

Dennoch: ein bisschen weniger "Wachstum" (sprich: Ausbeutung von Mensch und Umwelt sowie Umverteilung von unten nach oben) täte der Welt wahrscheinlich ganz gut. Ziel kann es aber nicht sein, dass die horrenden und absurden Reichtümer der oberen Zehntausend (oder nennen wir sie ruhig das eine Prozent) einfach nur stagnieren; was wir bräuchten, wäre natürlich eine gerechte globale Umverteilung von Macht und Geld, ohne die es keinen allgemeinen Wohlstand und also auch niemals einen sozialen Frieden geben kann.

Sollte die heutige Zinssinkung ein erster Schritt in diese Richtung sein, dann mag ich ihn durchaus begrüßen. Mir Habenichts sind nämlich steigende Preise ein viel größeres Gräuel...

senf dazu


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