Ente am Ende
Lobpreis des Büdchens
Donnerstag, 7. Mai 2009, 14:52

Vor nun schon geraumer Zeit, als es die selige DDR noch gab und insofern auch das von dieser finanzierte Festival der Jugend, irrte ich mit einigen Kumpanen durch Dortmund auf der Suche nach einem Büdchen - allein, die unisonore Antwort aller um Auskunft befragten Passanten lautete: "Büdchen? Sowat jibbet hier nich!"
Als wir nach einer gefühlten geschlagenen Stunde bereits der Verzweiflung nahe waren, fragte einer der Angesprochenen endlich zurück: "Büdchen? Wat sollen dat sein?" Sofort überboten wir uns gegenseitig mit wortreichen Umschreibungen: "Ja, so ein Laden, der wo abends noch auf hat, nach Ladenschluss..." - "Wo man Bier kaufen kann, aber viel teurer als im Supermarkt..." - "Aber die Kippen und Zeitungen und so sind normal teuer..."
"Ach, ihr meint ne Bude!", fiel es unserem Retter in der Not wie Schuppen aus den Haaren, und siehe da: direkt um die nächste Straßenecke wies er uns zum Heißersehnten.
Im Ruhrgebiet kennt man also sehr wohl die Institution, nicht aber die Vokabel "Büdchen", und das gilt angeblich auch für den gesamten Rest des deutschen Sprachgebiets jenseits der engbegrenzten Gegend zwischen Düsseldorf und Köln. Laut Wikipedia lautet die überregionale BezeichnungSchön! "Trinkhalle", was ich aber für unsinnig halte, da es sich ja meist keineswegs um "Hallen" handelt, sondern oft nur um fenstergroße Tresen in der Hausfassade, in deren Umkreis obendrein das Trinken (von Alkohol) verboten ist. Eher eingebürgert dürfte der Begriff "Kiosk" sein (aus dem türkischen köşk = "Pavillon"), wobei ich einmal in einem Fernsehbericht über die Büdchen- bzw. Budenkultur im Rhein-Ruhrgebiet erfuhr, dass eben nur hier eine solche Dichte dieser kleinen, sympathischen Drogenverkaufsstellen existiert...
Die Büdchenszene in meinem Stadtteil ist übrigens fest in mediterraner Hand. Da gibt es zunächst rechts die Straße runter "den Italiener", der tatsächlich sein Büdchen ganz alleine betreibt, welches daher allerdings auch kaum diesen Namen verdient, da es (1.) schon um 17 Uhr schließt und (2.) Samstags und Sonntags gar nicht öffnet; trotzdem habe ich faulheitshalber schon so manchen guten Euro dort investiert. Etwas weiter links die Straße runter wäre dann "der Grieche", eine Familie von VaterMutterTochterSohn, die brav bis 23 Uhr und auch am Wochenende geöffnet haben; dort bin ich ein oft- und gerngesehener, da umsatzstarker Kunde. Und dann wäre da noch "der Türke" hinten an der Bahnhaltestelle, wiederum eine Familie mit zwei bildhübschen Töchtern im heiratsfähigen Alter, wo ich allerdings trotzdem eher selten Großeinkäufe tätige...
Nichtsdestotrotz möchte ich diesem Dreigestirn stellvertretend für die ganze Branche hiermit einen feierlichen Toast ausbringen für die vielen schönen Stunden, die es mir ermöglichte, und ihm wünschen, dass es der allfälligen Bedrohung durch immer absurdere Ladenschlusszeiten (der hiesige Penny-Markt z.B. hat mittlerweile Montags bis Samstags von sieben bis 22 Uhr geöffnet) und alkoholfeilbietende Tankstellen widerstehen möge! In diesem Sinne, Prost!

senf dazu



dhonau, 2009.05.07, 18:13
halle im gegensatz etwa zu saal war laut herkunftsduden in früheren zeiten ein halboffener bau, dessen überdachung von pfeilern und säulen gestützt schutz vor witterung leistete – insofern ist diese (zugegeben unschöne) bezeichnung plausibel. ich persönlich bin kein freund des "budenzaubers". das liegt aber wohl schon auch daran, daß diese bevölkerungsumgreifende romantik (der kioske) in bayern entweder nie existiert hat (dafür haben wir hier den biergarten) oder einfach nur heruntergekommen ist. das gleiche (sage ich als ehemaliger sturmerprobter barkeeper, irgendwann vor dem 1. weltkrieg) gilt, aber unter anderen vorzeichen, für die alten ideale der american bar, nach denen dort alle welt im vergessen aller sozialen unterschiede am tresen steht. das gegenteil ist der fall: die american bar ist zur szenebar geworden. also ein ort der unterscheidung, des sozialen struggles, des aufladens statt des herunterkommens von all den ambitioniertheiten, die uns so umtreiben, mehr oder weniger. ein rest dieser budenromantik ist wohl die tv-sendung dittsche von olli dittrich ...

Aha?! Nun denn, als "halboffener Bau" mag so ein Büdchen allemal durchgehen (zumal die größeren, begehbaren Exemplare, in denen ja zuweilen gar ein Stehtischchen Herberge findet und bietet). Ich hatte eben immer Assoziationen zu Größerem, irgendwo zwischen "Turnhalle" und "Stadthalle"...

senf dazu
 

jean stubenzweig, 2009.05.08, 01:31
Das ist es, was ich an Köln (was anderes kenne ich nicht) so schätze – um jetzt mal den Begriff Liebe zu umschiffen. Im Umfeld meines Stammhotels gibt es einige von der Sorte, zum Teil mit Menschen wie die von Ihnen geschilderten. Zu einem gehe ich gerne hin und kaufe auch ein, zumal ich irgendwann festgestellt habe, daß dort tatsächlich ordentlicher Wein angeboten wird, was selten genug ist (im Hotel bekomme ich nur Gutes, wenn mir die Chefin persönlich den Giftschrank öffnet). Es kam des öfteren vor, daß ich auf ein Schwätzchen hängengeblieben bin. Das ist eine besondere Kultur, die ich aus anderen Städten nicht kenne. Sie möge unbedingt gepflegt werden, um des Erhalts willen.

Ordentlicher Wein am Büdchen? Ganz erstaunlich - ich vermute mal, da handelt es sich aber wirklich um einen seltenen Glücksfall. Mir persönlich (der ich aber zugestandenermaßen auch alles andere als ein Experte bin) ist da bislang wenig oberhalb des Segmentes "Kellergeister" oder "Landwein Le Rouge" vor die entzündeten Augen gekommen ; )


Ja, der hat eine für ein solches Etablissement außerordentliche Auswahl. Schlicht, aber eben ehrlich. Das liegt aber vermutlich daran, daß er selber Wein trinkt. Spanier, der mir einen Franzosen empfohlen hat, einen aus dem Luberon. Würde ich wieder trinken.
senf dazu
 

dosron, 2009.05.11, 17:45
"Anne Bude oder Trinkhallen in Dortmund"
(Wenn ich mal den Exportweltmeister empfehlen darf. Für Dü gab es mal etwas ähnliches)

Das ist ja allerliebst - und da sind tatsächlich alle Büdchen, pardon: Buden Dortmunds im Bild festgehalten?
Angespornt durch den Hinweis, dass es Ähnliches für DüDo auch gebe, habe ich immerhin diese Seite hier googeln können - auch mit teilweise reizenden Büdchenfotos.


Ja, die Seite meinte ich. :)

Also mein Lieber, solltest Du mit "der Türke" den Laden rechts vor meiner Haustüre meinen so möchte ich Dich doch korrigieren, es ist ein "Iraner", man höre und staune.

Und damit ist es nicht mehr mediterran sondern schon Persisch!

Zumindest das habe ich von dem solarisweitbekannten Räuchermännchen mit Schnurrbart gelernt.

Nö, ich meinte doch den gegenüber von der Bilker Kirche.
senf dazu
 
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