Ente am Ende
Eine Gute-Nacht-Geschichte aus uralten Tagen:
Als die Sozialdemokraten noch rot waren
Sonntag, 11. März 2012, 11:14

Denkt euch nur, liebe Kinder - vor langer, langer Zeit, als es noch gar kein Wilhelminisches Deutsches Kaiserreich gab und auch noch keine SPD, sondern nur einen Haufen kleiner und mittelgroßer Staaten und ein übermächtiges Preußen sowie einen ADAV und eine SDAP, da wagten es August Bebel und Wilhelm Liebknecht, Mitglieder der damaligen am Marxismus ausgerichteten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP), sich bei der Abstimmung zur Bewilligung der Kriegskredite im Reichstag des Norddeutschen Bundes für den Deutsch-Französischen Krieg am 19. Juli 1870 der Stimme zu enthalten und vier Monate später sogar einen Friedensvorschlag ?unter Verzichtleistung auf jede Annexion französischen Gebietes? vorzulegen, wofür ihnen dann (heute vor 140 Jahren) in Leipzig der Hochverratsprozess gemacht wurde, der mit einem Schuldspruch und zwei Jahren Festungshaft für beide endete.
Ja, liebe Kinder, damals waren die Sozialdemokraten noch mutig und standen für ihre pazifistischen, antiimperialistischen, sozialistischen und demokratischen Überzeugungen ein, selbst wenn es sie einige Jahre Knast kosten sollte. Doch schon ein paar Jahrzehnte später war es mit der guten Zeit vorbei - denn als der Deutsche Kaiser 1914 in den Ersten Weltkrieg ziehen ließ, da stimmte die SPD für die Kriegskredite. Karl Liebknecht (Sohn des 42* Jahre zuvor verurteilten "Hochverräters" Wilhelm), der als Einziger dagegen gewesen war, wurde deshalb aus der SPD ausgeschlossen; und nach dem Krieg, als er sich erdreistet hatte, eine sozialistische Räterepublik auszurufen, ließen ihn seine ehemaligen "Genossen" Friedrich Ebert und Gustav Noske ermorden (und seine frühere SPD- und spätere Spartakusbund-Genossin Rosa Luxemburg gleich mit).
Und seitdem singen die wahren Sozialisten und Demokraten landauf, landab: "Wer hat uns verraten?" - "Sozialdemokraten!", und die SPD ist nur noch eine unsoziale und korrupte Partei unter Anderen; sie organisiert Kriegseinsätze und die Umverteilung von Arm nach Reich statt umgekehrt und ist für vernünftige Menschen schon lange nicht mehr wählbar, und endlich hat sie sich auch von ihrer lange nicht mehr passenden Parteifarbe Rot verabschiedet und ist jetzt neuerdings magenta - wie die Telekom.
Gute Nacht...
* À propos "42": Happy Birthday and R.I.P.,
    Douglas Adams (11. März 1952 - 11. Mai 2001)

senf dazu


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