Ente am Ende
Noch ein Fazit:
10 Jahre Hartz aber schmerzlich
Dienstag, 14. August 2012, 14:13

Warum Hartz IV gelungen ist, erklärt uns dankenswerterweise ein gewisser Guido Bohsem in der SZ, und dass es allemal besser sei, für weniger Geld zu arbeiten, als sein Leben in dauerhafter Abhängigkeit vom Staat zu fristen.

Nun, das mögen viele Arbeitslose und "Geringverdienende", deren dank Agenda 2010 gesunkene Bezüge und Hungerlöhne zu einem Leben, das diesen Namen verdiente, nicht mehr reichen, eventuell anders sehen - nämlich, dass eine Politik, die Millionen Menschen in Armut und Elend gestürzt hat, derweil die Gehälter und Abfindungen der m.o.w. gescheiterten Manager und Vorstände weiterhin in astronomische Höhen steigen, als „großen Erfolg“ zu verkaufen, an Zynismus wohl kaum noch zu überbieten ist.
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Ceterum censeo capitalismum esse opprimendum.*

* "Außerdem bin ich der Meinung, dass der Kapitalismus überwunden werden muss."

senf dazu



sturmfrau, 2012.08.14, 14:59
Eigentlich muss man den Satz ganz zitieren:

"Doch hat Hartz IV den Grundsatz verankert, dass es allemal besser sei, für weniger Geld zu arbeiten, als sein Leben in dauerhafter Abhängigkeit vom Staat zu fristen."

Denn dann wird erst klar, was wirklich vor sich gegangen ist: Hartz IV hat sich zum echten Stigma gemausert, und was der "betroffene Arbeitnehmer" da "bescheinigen muss" ist, dass der Bezug von Hartz IV so demütigend ist, dass mancher lieber zu einem Hungerlohn arbeitet, als sich das anzutun. Der gute Herr Bohsem schreibt: "Heute arbeiten hierzulande mehr Menschen als jemals zuvor. Die Reform hat vor allem eins gezeigt: Es ist möglich." Das indes ist keine Errungenschaft, wie der gute Herr Bohsem uns unbedingt glauben machen will. Es zeigt nur, dass man mit den geeigneten Mitteln mehr Menschen zu lohngedumpter, unwürdiger Arbeit zwingen kann, als man vorher gedacht hat.

Genau so sieht's aus.
Und derlei bittere Artzenei will der Herr offenbar auch weiterhin (und noch mehr davon, europaweit) verschreiben lassen...

Abhängigkeit? Wer für einen Chef schuften muß, u.U. für einen Hungerslohn, der ist nicht unabhängig. Das kann eine viel größere und unwürdigere Abhängigkeit schaffen, als die Abhängigkeit eines Erwerbslosen in einem noch gut funtionierenden Sozialstaat, der hier schwer beschädigt worden ist. Gerade durch diese "Arbeit macht frei" , äääh tschuldigung "Arbeite, Arbeit über alles"-Prediger.

Es ist schon wirklich hochgradig lächerlich, wie dieses protestantische Arbeitsethos immer noch verfängt - besser, sich zu unwürdigsten Bedingungen ausbeuten zu lassen, als "müßig" (arbeits)freie Zeit aushalten zu müssen...

Ja, Robert Kurz hat schon geschrieben, dass der frühere Adel heutige Kapitalisten nur verachten würde. Der Adel hat die Leute zwar auch ausgebeutet, wußte aber selbst nur zu gut, was das Leben zu bieten hat. Einer meiner Ausbeuter, selbst millionschwer arbeitet auch Sonntags und z.B. an den Weihnachtsfeiertagen ist auch noch stolz darauf.
Dummheit und Stolz wachsen auf demselben Holz!

Was ja aber wohl nicht heißen sollte, dass wir uns die Old-School-Ausbeuter zurückwünschen, die ihre Reichtümer wenigstens noch auf besonders dekadente und obszöne Art verprassen... ; )

Natürlich wünsche ich mir diese Sorte Mensch nicht zurück. Es gibt für mich aber nichts Dekadenteres und Obszönes als Menschen, die dem Arbeistwahn frönen.

Solange diese Arbeitswütigen ihre Obsession mit sich selber ausmachen und nicht Andere damit belästigen, lasse ich sie gerne gewähren.
senf dazu
 

chudn, 2012.08.16, 14:59
..und dann ist da auch noch die andere abhängigkeit vom staat, und zwar die der wohl- bis höchstverdienenden, ob einzelnen oder in Form von Unternehmen/Gesellschaften: ohne staat oder bei einer anderen form, einer anderen 'zusammensetzung' des staates säh das nämlich ganz anders aus. Was jemand behalten, vererben oder verschenken und verteilen darf, ist ja letztlich rechtloch geregelt, ebenso die ungeheuren staatlichen subventionen derer, die im geld förmlich untergehen (vgl. mehr als jeder zweite neuwagen der referenzklasse wird auf staatskosten gefahren und gekauft...).
Aber diese staatsabhängigkeit ist natürlich ebensowenig demütigend wie die der schreiberlinge von SZ, FAZ und Co. Die ist nämlich m.E. echt nur peinlich (also v.a. letztere)...

Dieses Dogma, dass "Abhängigkeit vom Staat" grundübel und unbedingt um jeden Preis zu vermeiden sei, ist genauso schwachsinnig wie der ewige Ruf "Steuern runter!" Nein, umgekehrt: das Gemeinwesen soll bestärkt (und natürlich konsequent demokratisiert) werden und die Steuern idealerweise (zumindest vorübergehend) sogar 100 Prozent betragen, denn das hieße gerechte Umverteilung und Schutz vor den mörderischen Machenschaften des Raubtierkapitalismus.
senf dazu
 

c17h19no3, 2012.08.30, 16:05
... und all die armen verwaltungsbeamten, die abhängig von staatlichen geldern ihr dasein in reihenhäusern mit gärten und fetter karre vor der tür fristen müssen... die muss da doch schleunigst einer rausholen aus dem grausamen arbeitsalltag zwischen stempel-drücken und nasenpopeln (gesundheitsgefährdung am arbeitsplatz sag ich nur)! und erst die politiker... verdammt bis in alle ewigkeit dazu, steuergelder zu fressen, auf teuere dienstreisen gehen und vom all-you-can-eat-buffet naschen zu müssen. die sterben alle an diabetes und sonstigen wohlstandskrankheiten!

ich fordere:
gesunde armut für alle! selbstständigkeit bis zur selbstaufgabe! auch betteln in der fußgängerzone muss zum abgabepflichten ein-euro-job werden! und überhaupt: burnout ist keine krankheit, burnout ist ein lifestyle!

Ich sage dazu nur: (freie bzw. selbstbestimmte) Zeit ist der wahre Luxus : )
senf dazu
 
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