Fürwahr, ich sage euch: die Zeiten werden kälter...
Auch wenn es Viele im vorweihnachtlichen Kaufrausch nicht mitbekommen haben sollten: gestern, am jüngsten kürzesten Tag des Jahres, gab es in Hamburg eine Demonstration unter dem Motto "Die Stadt gehört allen! Refugees, Esso-Häuser und Rote Flora bleiben", bei der es dann zu "schweren Ausschreitungen" kam.
Die (linksradikaler Tendenzen oder auch nur Sympathien mittlerweile wahrlich unverdächtige) TAZ schrieb dazu:
Mehr als 7.500 Menschen waren zum Auftakt der internationalen Demonstration vor dem besetzten autonomen Zentrum in Hamburg gekommen. Kaum hatten sich die ersten Reihen auf der erlaubten Route bewegt, traten ihnen Polizeikräfte entgegen. Ohne Vorwarnung gingen die Beamten mit Schlagstöcken und Faustschlägen gegen die Demonstranten vor. Zur Unterstützung setzen sie Wasserwerfer ein. Der Auftakt einer Eskalation.
Diese Darstellung bestätigt u.a. auch die folgende kleine Videodokumentation:
Schlimmer noch aber als das übliche unnötig brutale Vorgehen der Bullen und das vorherige indiskutable Gebahren des offiziellen neuen Eigentümers der "Flora" (Eventmanager Klausmartin Kretschmer) sowie Bürgermeister Olaf Scholz fand ich, was unter dem Hashtag #HH2112 und offenbar aufgehetzt durch die weitgehend tendenziöse Berichterstattung die "digitale Elite" so von sich gab - zwei Beispiele unter leider allzu vielen:
Das sind keine Demonstranten gewesen, sondern Terroristen, und diese sollten auch als solche behandelt werden.
Die linken Steinewerfer in Hamburg brauchen kein Kulturzentrum, sondern eine ordentliche Tracht Prügel
Der Top-Tweet des gestrigen Abends und der darauffolgenden längsten Nacht galt aber nicht dem weiter andauernden Pogo im Schanzenviertel, sondern als #SdR der PRO7-Endlossendung "Schlag den Raab", wo der indischstämmige Sozialarbeiter Anish Pulicka drei Millionen abräumte, welche ihm ein Großteil der Twittergemeinde offenbar von vornherein missgönnte, was sich dann in hämischen Kommentaren wie diesen niederschlug:
(Vorher:) Wird 'ne kurze Sendung heute. Denn der Anish, der kann's gar nisch, das ahn isch.
(Nachher:) Wieviel für Anish wohl übrigbleibt, wenn seine indische Großfamilie alle Ansprüche geltend gemacht hat?
So zeigt sich, dass
(1.) eine Unterhaltungssendung immer noch sehr viel mehr Leute bewegt als gewalttätig niedergeschlagene Proteste im Lande;
(2.) die Mehrheit der Leute davon ausgeht, dass Demonstranten, die von der Staatsmacht ohne besonderen Anlass niedergeknüppelt und (im Winter!) mit Wasserwerfern traktiert werden, selber schuld sind und nichts Besseres (eher Schlimmeres) verdient haben; und
(3.) die meisten Leute den hochdotierten Gewinn eher einem saturierten und sowieso längst überbezahlten und stinkreichen egomanischen Kotzbrocken Star gönnen als einem - noch dazu "ausländischen" - Sozialarbeiter.
Leute, Leute - so wird das doch nie was mit der Demokratie...
Dann noch der Bericht einer sehr erschrockenen Piratin und Demoteilnehmerin - sowie der erfrischend medien- und bullenkritische Bericht von N-TV...
Gott sei Dank, hat endlich jemand mal dem Raab die Koffer abgenommen. Ich bin weder Fan von diesem Typen, dem Sie diese überaus treffende Beschreibung zukommen haben lassen, noch von seinen immer überlangen, komplett sinnbefreiten Sendungen, in denen auch noch "Live-Gäste" (à la Miley Cyrus) auftreten, die keiner sehen will, mit Pseudo-Bands aus Kleinwüchsigen, bei denen dann der Bassist das Gitarren-Solo aus den Saiten zaubert (Das muss wirklich Magie gewesen sein!). Somit gönne ich diesen Gewinn einfach jedem, außer dem Raab selbst.
➥ Zur Petition Weiterentwicklung: Demokratie
➥ Das Prinzip Permanentes Plebiszit
We were all just hanging around waiting to die and meanwhile doing little things to fill the space.
Charles Bukowski