Ente am Ende
Und wie ist das Gefühl, wenn man so langsam langsam langsam... driftet nach rechts?
Dienstag, 25. Februar 2025, 13:49

Einen "Aha-Moment" der unangenehmen Art erlebte ich gestern, als die Moderatorin der Kulturzeit auf 3sat, Nina Mavis Brunner, im Hinblick auf die wahrscheinlich kommende Koalition von CDU/CSU und SPD meinte: "eine kritische Größe der Wählerschaft kriegt nicht, was sie bestellt, nämlich nicht Mitte-Rechts, sondern Mitte-Links."

Besonders unangenehm fand ich dabei nicht (nur), dass die Dame (die später noch bemerkte, sie sei "als Schweizerin" eine 'Verfechterin von Mehrheiten") offenbar einer Koalition der Unionsparteien mit der AfD als zweitstärkster Fraktion das Wort redete, sondern die augenscheinliche Begriffsverschiebung im politischen Koordinatensystem.

Wenn wir von der Sitzordnung im zukünftigen Bundestag ausgehen, haben wir dort fünf Fraktionen - von links nach rechts: Linke - Grüne - SPD - CDU/CSU - AfD. Eine Koalition von CDU/CSU und SPD wäre also "Rechts-Mitte", eine Koalition von CDU/CSU und AfD dagegen "Rechts-Rechtsradikal" (so wie eine leider nur hypothetische Koalition von Grünen und Linken als "Links-Linksradikal" bezeichnet werden könnte - wobei die Frage, inwiefern die Oliv-Grünen noch als relativ linke Kraft angesehen werden können, durchaus berechtigt wäre).

Das mag Manchen spitzfindig erscheinen - für mich ist es ein Beleg dafür, wie der Diskurs auch in den oft als "linksgrün versifft" beschimpften öffentlich-rechtlichen Medien immer weiter nach rechts driftet. Kann es sein, dass dort bei vielen festen und freien Mitarbeitenden bereits die Zeit vorauseilenden Gehorsams aus Angst vor einer kommenden AfD-Mitregierung angebrochen ist? In den USA lässt sich wir ja beobachten, wie schnell Unbotmäßigkeit gegenüber neoliberal-reaktionären Sprachregelungen (z.B. die Weigerung, den "Golf von Mexiko" neuerdings als "Golf von Amerika" zu bezeichnen) zu schwerwiegenden beruflichen Folgen (Ausschluss entsprechender Journalisten von offiziellen Pressekonferenzen) führen kann.

In diesem Zusammenhang möchte ich ein Buch empfehlen, das ich gerade lese und das (aus eher sozialdemokratische Sicht) sehr gut beschreibt, was wir gerade vermehrt (aber eigentlich schon seit der neoliberalen Wende in den 1980er Jahren) erleben: "Postdemokratie revisited" von Colin Crouch (Cambridge 2020; deutsch Berlin 2021).

senf dazu



txxx666, 2025.03.04, 17:52
Auf meinen entsprechenden Brief bekam ich vom ZDF die folgende nichtssagende (und wahrscheinlich standardmäßige) Antwort:

Sehr geehrter Herr Movtchaniouk,

vielen Dank für Ihre E-Mail an das ZDF.

Mit seinem Magazin „kulturzeit“ will 3sat einen Beitrag zur Aufklärung und öffentlichen Diskussion hierzulande leisten. Die Sendung hat dabei den Anspruch, über kulturelle und gesellschaftliche, aber auch politische Aktualität zu berichten. Auch die Bundestagswahl und Koalitionsgespräche sind naheliegenderweise Thema der Sendung.

Ihre Kritik haben wir der Redaktion der „kulturzeit“ mitgeteilt. Ihre Stellungnahme wird außerdem als Teil der Zuschauerresonanz festgehalten und trägt dazu bei, die weitere Programmarbeit des ZDF zu diskutieren und zu bereichern.

Wir freuen uns, wenn Sie auch weiterhin zu unseren interessierten Zuschauern gehören.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Zuschauerservice
senf dazu
 
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