Ente am Ende
Deformationstag
Sonntag, 2. November 2008, 07:55

Hier sitze ich - der ich aus, sagen wir mal, konjunkturiellen Gründen schon seit längerem abseits des Arbeitslebens stehe - und kann nicht anders als mich ärgern, vor dem gestrigen Feiertag nicht nochmal gründlich eingekauft zu haben, und muss dabei mit einem gewissen Gruseln daran denken, wie mein Darben noch viel ärger wäre, wenn auch der Freitag - wie von den Lutheranern Evangelen gefordert - ein bundesweiter Feiertag gewesen wäre.

   Nun sind möglichst viele Feiertage - und auch und gerade zwei aufeinanderfolgende - ja grundsätzlich eine prima Sache für die erwerbstätigen, lohn- fronarbeitsabhängigen Massen, und da mag es ja auch mal angehen, mit dem Reformationstag einen Typen zu ehren, der vom ZDF per Entscheid seiner vermutlich totalvergreisten Zuschauerschaft seinerzeit zum zweitgrößten Deutschen aller Zeiten gekürt wurde (und zwar noch vor Karl Marx und nur knapp getoppt vom eiskalten Krieger und Restaurationsexperten Adenauer), obwohl (oder gerade weil?) sich dieser Stinkstiesel u.a. durch ziemlich derbe Hetze gegen Juden im allgemeinen, allzu selbstständige Frauen und emanzipatorische Bauern hervorgetan hat; bzw. mehr noch ein Ereignis, das ja auch nicht nur eitel Sonnenschein bewirkt hat, sondern u.a. auch den 30jährigen Krieg und solche obskuren Vereinigungen wie die Evangelikalen (Bush, Palin und solche Konsorten) und andere Eiferer en masse - aber scheißrein: Hauptsache, es wird gefeiert!

   Interessant in diesem Zusammenhang übrigens, dass es hierzulande immerhin insgesamt 17 gesetzliche Feiertage gibt, darunter sogar einen exklusiv der Stadt Augsburg vorbehaltenen; wobei die meisten sowieso im katholisch-lebensfreudigen Süden anfallen, die wenigsten dafür naturgemäß im protestantisch-arbeitsethischen Norden. Vielleicht war die Reformation also doch keine Sache, die man - auch und gerade aus ihrem eigenen Verständnis heraus - soooo groß feiern sollte...?

senf dazu



txxx666, 2017.10.31, 11:39

Nachtrag (neun Jahre später): Ich habe mir anlässlich des (heute und nur heuer bundesweit begangenen bzw. freigegebenen) Reformationstages nochmal das seinerzeitige ZDF-Ranking der "größten Deutschen" angesehen - und musste feststellen, dass damals Daniel Küblböck ("Wer?!?") auf Platz 16 gelandet ist, vor u.a. Wolfgang Amadeus Mozart* auf 20 - wie zeitverfallen solche Votings doch sind...
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* Mozart war aber doch Ösi?! Und wieso wurde dann eigentlich Adolf Hitler zur Wahl nicht zugelassen?

senf dazu
 
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