Im Wirtschaftsteil der SZ gibt es seit einiger Zeit eine Artikelserie mit dem schönen Titel "Leben in der Krise" (heute z.B.: Wie sagen wir's den Kindern?), und das ließ mich zurückdenken an die Zeit Anfang/Mitte der 1990er, als ich - damals frischgebackener Familienvater - zum ersten Mal arbeitslos wurde...
Zwar hatte ich im Jahr zuvor als Angestellter des BVA, in dessen Auftrag ich, mit einem roten Diplomatenpass ausgestattet, in Polen unterrichtete, gut verdient, aber trotzdem bemühte ich mich nun, als Erwerbsloser, im täglichen Haushalt sparsam zu wirtschaften. So war es für mich selbstverständlich, an den Tagen, an denen ich zu Hause bleiben und mich um das Baby kümmern musste durfte (es gab eine streng paritätische Regelung: zwei Tage sie zur Uni, zwei Tage ich; drei Tage keiner Uni, beide daheim), auch bei den zu erledigenden Einkäufen nach den günstigsten Preisen zu fahnden und dafür auch mancherlei Umweg in Kauf zu nehmen (unfassbar, was für Preisunterschiede z.B. bei Windeln existierten), wozu ich auch meine Gattin anzuhalten versuchte, allerdings ohne Erfolg; auch gab es später, als unser Sohn eine KiTa besuchte, immer wieder Reibereien, wenn ich dafür plädierte, den Wettbewerb der Eltern um immer schickere und vor allem neue Klamotten (am liebsten von H&M) für ihre Ein- bis Dreijährigen nicht mitzumachen und stattdessen, soweit möglich, verstärkt auf Second-Hand-Bekleidung zurückzugreifen, wofür ich von der Kindsmutter natürlich der Schäbigkeit geziehen wurde; richtig übel wurde es allerdings, als sie herausfand, dass ich mir per Internet einmal ein (natürlich kostenloses) Probeexemplar der Pfennigfuchser-Depesche (Untertitel: "Maßvoll wirtschaften, Geld sparen, Natur und Ressourcen schonen") bestellt hatte, ein schmuckloses, ungeheftetes, acht Seiten starkes(?) Schwarz-Weiß-Blättchen, in dem wenig originelle Tipps zum Letzte-Reste-aus-der-Tube-quetschen oder Tolle-Geschenke-selber-basteln gegeben wurden... heute glaube ich, dies war der Anfang vom Ende dieser Ehe.
Heute lebt Madame samt Sohnemann und gutverdienendem neuen Stecher Gatten in Barcelona, muss selbst nicht arbeiten und shoppt die Ramblas rauf und runter, derweil ich als alter Hartz-IV-Hase die damals verinnerlichten Pfennigfuchsereien gut gebrauchen kann... so hat doch alles wenn auch kein unbedingt schönes, so doch zumindest gerechtes Ende gefunden. AMEN
Madame kommentiert meine Darstellung wie folgt:
...zu Deiner kleinen Veröffentlichung, sie bestätigt mir, dass jeder sich seine ganz subjektive Wahrheit zusammenschustert. Im übrigen kennst Du mich doch relativ schlecht: Ich gehöre zu den Menschen, die "shoppen" sehr lästig finden. Nichts nerviger als das!
Ja - wenn es um Windeln und andere Haushaltswaren geht... ; P
Aber Scherz beiseite: Sie hat unumwunden zugegeben recht!
➥ Zur Petition Weiterentwicklung: Demokratie
➥ Das Prinzip Permanentes Plebiszit
We were all just hanging around waiting to die and meanwhile doing little things to fill the space.
Charles Bukowski