Ente am Ende
Na so was...
Samstag, 4. April 2009, 23:03

Da sitze ich gerade nichtsahnend vor der 1973er-Folge von "60 x Deutschland" auf Phoenix und sehe unvermittelt meinen alten Herrn vor mir...

senf dazu



arboretum, 2009.04.04, 23:27
Mein Lateinlehrer, den ich in den Jahren 1976 bis 1980 hatte, war DKP-Mitglied, er war allerdings nicht verbeamtet. Er unterrichtete mich auch ein Jahr in Englisch und in der Oberstufe schließlich drei Jahre in Russisch. Von einem der Kunstlehrer an der Oberstufe hieß es, er sei im KBW gewesen, war anscheinend auch kein Problem.

Ein früherer Freund hatte jahrelang eine Deutsch-Lehrerin, die ebenfalls DKP-Mitglied war, ich glaube, sie war sogar Beamtin. Von ihr bekam ich einmal das Parteiprogramm, das ich aus historischen Gründen aufgehoben habe.

Na, wenn das nicht am Ende auch mein Lateinlehrer war ; )
Auf meiner Schule (erste Gesamtschule in D´dorf, 1977-1983) gab´s vermutlich auch einige bis etliche DKPisten und Sympathisanten, die sich aber immer ziemlich bedeckt gehalten haben aus Angst vor Berufsverbot.


Nein, ich war auf einer anderen - kooperativen - Gesamtschule.
Unser Lateinlehrer dürfte mal eine Weile nicht unterrichten, weil seine marxistischen Auslegungen der Gallischen Kriege irgendwann wohl doch etwas zu weit gingen. Was ihn aber nicht daran hinderte, die Gallischen Kriege bei uns wieder so zu interpretieren und einen Vergleich zwischen den Haeduern - die 121 v. Chr. die Hilfe der Römer erbaten - und Afghanistan zu ziehen.

Ach - und die Römer standen ihm dann also für die Sowjets?!?
Eine doch ziemlich selbstentlarvende Gleichsetzung, fürwahr...


Abgesehen davon, dass sich die strammen CDU-Eltern einer Klassenkameradin sich auf einem Elternabend sehr darüber echauffierten, hatte das aber meines Wissens keine Konsequenzen. Was aber auch damit zusammenhängen könnte, dass wohl niemand diese Eltern so recht leiden mochte, sie machten einen stinkkonservativen Eindruck. Die Mehrheit der Schüler kam auch aus zwei anderen Stadttteilen, so dass ohnehin keine privaten Kontakte zwischen den Eltern bestanden, die hatten also auch keinen Rückhalt bei den anderen Eltern. Und der Elternvorsitzende (hieß das so?) war eher links-alternativ eingestellt.

Hehe - ja, Eltern mit CDU-Parteibuch waren auf unserer Gesamtschule auch eher rar gesät : )

Ach, die werden nicht die einzigen gewesen sein. Damals hatte man kaum eine andere Wahl als sein Kind auf die zuständige weiterführende Schule zu schicken, die in jenem Stadtteil lag. Es sei denn, man entschied sich für das humanistische Gymnasium - mein Vater wollte mich dorthin schicken, aber ich mochte nicht, denn das einzige Mädchen aus meiner Grundschule, die dorthin ging, war eine schreckliche Streberin, die ich nicht mochte. Erst bei meiner jüngeren Schwester fanden meine Eltern einen Weg, diese Gesamtschule zu umgehen, indem sie entschieden, dass sie unbedingt Französisch als erste Fremdsprache lernen sollte. Das machten etliche Eltern aus unserem Stadtteil bei den dritten Kindern so, nach zwei älteren Geschwistern wussten sie ja, dass diese Gesamtschule nicht sonderlich gut war. Gymnasiasten wurden dort auch ganz klar benachteiligt, bekamen beispielsweise immer die schlechtesten Klassenräume usw.

War bei mir so ähnlich - ich kam auf die Gesamtschule (Schulweg hin und zurück eine gute Stunde), mein kleiner Bruder aufs Gymnasium (Schulweg hin und zurück keine fünf Minuten); er hat womöglich mehr gelernt, dafür hatte ich bestimmt die lustigere Schulzeit ; P


Zur Gesamtschule fuhr eigens ein Schulbus, meine kleine Schwester war länger unterwegs. Nachdem wir im 3. und 4. Schuljahr schon ersten Englischunterricht gehabt hatten, fingen wir im 5. nochmals von vorne an - aber die Lehrerin hatte einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen, so dass wir von ihr recht wenig sahen, dafür um so mehr von irgendwelchen Vertretungslehrern, es waren sechs in den zwei Jahren. Vom 7. bis zum 10. Schuljahr dann jedes Jahr eine/n andere/n, darunter eben auch jener Lateinlehrer (mein schlimmstes Jahr in Englisch). Englisch gelernt habe ich trotzdem, vielleicht nicht unbedingt in der Schule.

Unser Klassenlehrer vom 7. bis zum 10. Schuljahr war Alkoholiker, unser Mathe- und Physiklehrer stellte uns Mädchen (wir waren 23 in der Klasse und nur 7 Jungen) subtil hinterher. So, dass wir genau wussten, dass der nicht koscher ist, ihm aber nichts beweisen konnten. Bei späteren Jahrgängen wurde es schlimmer - à la: "Wenn ich Dir das nochmals erklären soll, setz Dich auf meinen Schoß" - doch als sich diese Mädchen über ihn beschwerten, glaubte man ihnen nicht. Hat mir jener Klassenlehrer Jahre später erzählt, als ich ihn mal auf einem Schulfest traf. Als ich ihm erzählte, dass das schon zu unserer Zeit unterschwellig lief, fiel er aus allen Wolken. "Wir glaubten, es seien pubertäre Phantasien." Worauf ich ihm entgegnete: "Haben Sie sich den Mann denn nie angeschaut? Von Männern, die knallgelbe Frotteesocken in Sandalen tragen, träumen junge Mädchen nicht." (Außerdem hatte er rote Haare und Schweinsäuglein.)

Au weia, das war ja anschweinend ein ziemliches Horrorkollegium - das letzte Aufgebot des Kultusministeriums?!? Seltsam - bei uns waren doch relativ viele junge und sehr engagierte Lehrkräfte, obwohl es auch hieß, dass manch Älterer an die Gesamtschule "strafversetzt" worden sei...


Die waren noch gar nicht so alt damals (abgesehen vom Lateinlehrer - der, bei dem unsere Klasse mit Latein begonnen hatte, war auch jung und nett, der ging dann aber nach Norddeutschland. Daraufhin wurden wir mit der anderen Lateinklasse zusammengelegt und bekamen jenen älteren DKPler). Jener Mathe- und Physiklehrer unterrichtet sogar noch. Vor anderthalb Jahren hatte ich einmal beruflich in der Schule zu tun, da kam er plötzlich ins Sekretariat. Er hatte einen unermesslich dicken Bauch, aber ich habe ihn sofort wiedererkannt. Er mich aber zum Glück nicht.

Vielleicht lag es auch an der damaligen Schulleitung, die machten keinen so dollen Eindruck (und als Haupt- und Realschullehrer benachteiligten sie systematisch den Gymnasialzweig). Ihnen sagte man immer nach, sie hätten halt das richtige Parteibuch.

Der schlechte Ruf der Schule hat sich bis heute gehalten, dabei machten die aktuelle Leiterin und das Kollegium später einen engagierteren Eindruck. Die Gesamtschule haben sie inzwischen auch beerdigt, die Schule wird nun zu einem reinen Gymnasium umgewandelt. Man darf gespannt sein, ob es hilft.

Der Vorteil damals war aber, wir hatten kleine Klassen, nur 30 Schüler, während woanders noch 38 bis 40 Schüler pro Klasse üblich waren, sogar noch bei meiner jüngeren Schwester.

"Nur" 30 Schüler - Hammer! In meiner Oberstufe (Kollegschule) waren wir am Anfang 22 und am Ende nur noch neun...

Auf dem Oberstufengymnasium (war eine andere Schule, aber zuständig für diese Gesamtschule und noch eine andere) waren wir in den Leistungskursen auch weniger, obwohl 309 Leute in dem Jahrgang waren. In Englisch waren wir 27, glaube ich, in Deutsch nur 16 oder so. Die Englischlehrerin war übrigens auch Alkoholikerin - mit puritanischen Ansichten.
In den Grundkursen waren wir aber locker 30 Leute, manchmal auch mehr.
senf dazu
 
 schon 793 x druppjeklickt

Zur Petition Weiterentwicklung: Demokratie
Das Prinzip Permanentes Plebiszit

We were all just hanging around waiting to die and meanwhile doing little things to fill the space.
Charles Bukowski