Ente am Ende
Vom protestantischen Arbeitsethos
Montag, 14. Februar 2011, 20:30

Im Feuilleton der SZ schwadroniert heute der Schicki-Micki-Wischi-Waschi-Soziologe Heinz Bude unter dem unschönen Titel Die Unverwendbaren - Wie kann der Wohlfahrtsstaat die Müden und Gerissenen aushalten? (nicht online verfügbar) u.a. über die erstaunliche Dynamik der Arbeitsmärkte, beklagt sich dann u.a. über schwermütig veranlangte Junggesellen im mittleren Alter, die einfach nicht mehr die Energie für eine geregelte Beschäftigung aufbringen (wobei ich mich natürlich sofort ertappt fühle) und plädiert dafür (in bewährter Schröder-Agenda-Manier), vom einzelnen, der sich mit seinem Rechtsanspruch an den Staat wendet, eine Anstrengung zu fordern, und sei diese noch so sinnlos.
Da kommt mir von anderer Stelle der Hinweis auf ein Buch von Holger Schatz und Andrea Woeldike zu Hilfe: Freiheit und Wahn deutscher Arbeit - Zur historischen Aktualität einer folgenreichen antisemitischen Projektion, in dessen Rezension es mit Bezug auf Hannah Arendt schön unmissverständlich heißt: Den Nationalsozialisten gelang es, die entfremdete Arbeit zu erotisieren, die „Arbeit an sich“. Der nationale Gründungsmythos „deutsche Arbeit“ galt als Ort der „Unschuld“. Mit Luther und Hitler: Nicht was, sondern wie einer arbeitet, zählt.
Mit derlei Gedanken könnte ich eventuell meine Schwermut zähmen und füttern, wenn ich demnächst einmal wieder zu einem komplett schwachsinnigen "Bewerbertraining" oder einer anderen Zwangsmaßnahme zur Aufhübschung der Arbeitslosenstatistik beordert werde.

senf dazu



vert, 2011.02.14, 21:52
nehmen sie es einfach mit und lesen sie es in der ersten reihe.
und den weber nicht vergessen, den sollte es wenigstens in gebundener ausgabe geben.
every tool is a weapon if you hold it right.

Vielleicht doch eher den Weber - den gibt's sicher in der Leihbücherei...

Oder "Der kommende Aufstand". Auch "Empört euch!" könnte beim Durchhalten helfen.
Foucaults gesammelte Werke, besonders "Überwachen und Strafen" deckt die Thematik sicher auch gut ab.

Oder dieser putzige Ratgeber der Arbeitsagentur, in dem es dadrum geht, Zeiten der Arbeitslosigkeit sinnvoll zu nutzen.

sehr aufschlussreich auch Losurdos 'Freiheit als Privileg', das schön Kern und Struktur des vielgelobten Liberalismus aufzeigt, von den Gründervätern der engl. und amerikan. Revolution bis hin zu Th. Roosevelt und von Mises & Co. - Freiheit und Menschenrechte waren nie für die "schweinische Menge", die "schmutziger und käuflicher Beschäftigung" nachgeht (E. Burke) gedacht, denn sie sind ja blöd und arm; besser wäre schon, ihnen beizubringen "welche dauerhaften und notwendigen ökonomischen Gesetze göttlichen Rechts die Lohnhöhe regeln" (Tocqueville) und sie daher am Minimum knirpsen zu lassen. Und der große B. Franklin kritisiert es Leben zu retten, "die nicht würdig sind, gerettet zu werden", deren "Faulheit" und "Unmäßigkeit" von Gott bestraft werden, diese Gottesplan sollte man nicht stören, daher ist ein Wohlfahrtsstaat Gotteslästerung..usw.usf. Für die Ärmsten soll Arbeitslager, Umerziehung, Zwangsarbeit, ggf. Strerilisation, Ausschluss vom Wahl bzw. aller politischen und sozialen Rechte her: eben Freiheit als Privileg!

Dieser Liberalismus, der noch bis vor kurzem als Rassismus, Chauvinismus und Hirnschissmus sich verbreiten durfte, ist heute (wenn auch abgeschwächt) die offizielle Metaphysik des Bürgers und damit auch Herrn Budes...

Da zitiere ich gern nochmal hiesiges motto: in welcher welt leben wir eigentlich....? ;-)

Ergänzt sich (auchwenn ich von Herrn Lodurdo das erste Mal höre) anscheinend ganz gut mit der prot. Ethik und Wirtschjaft und Gesellschaft.
Das Prinzip der charismatischen Auserwählung kann man dann gleich mit dem Dozenten/Sozialarbeiter diskutieren. Denn immerhin LEBT der davon, dass er DICH verwalten bzw unterrichten darf....dh du bist sein Arbeitgeber. Also sollte er dich besser nett behandeln!

Ich bedanke mich für die Lektüretipps (den "kommenden Aufstand" hab ich sogar schon als PDF, allerdings in der alten, etwas schrägen Übersetzung, runtergeladen...)
Da mir als Hartzi aber nur ungefähr 0,23 Cent pro Quartal für Bildungsausgaben zugemessen sind, kommen Neuerscheinungen natürlich nicht in Frage (außer vielleicht eine Neuauflage von Klau mich ; ), es muss also vorerts beim Webern Maxe bleiben - und die putzige Broschüre vom AA liegt ja dann vielleicht im Wartezimmer (bzw. auf dem Flur, Wartezimmer gibt's ja gar nicht mehr) aus.


ach schau an, den inhalt des buches kenne ich nicht, auf amazon wohl auch noch niemand; umsonst kann manm aber einen sehr ähnlichen titel (Abbie Hoffmans Steal This book!) hier umsonst lesen:
http://www.tenant.net/Community/steal/steal.html

Ja, aber liefe das nicht dem programmatischen Titel des Buches zuwider? Das sollte doch lieber im Stern-Verlag (wenn, dann wohl in dessen Antiquariat) gemopst werden...
Ansonsten ist Fritz Teufel zuzutrauen, dass er sich für den deutschen Abbie Hoffman hielt bzw. zumindest gerne für einen solchen gehalten worden wäre - jedenfalls ist der Inhalt des deutschen Titels wohl weitgehend kongruent zum amerikanischen Original.

senf dazu
 
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