Kürzlich musste ich zu meiner Betrübnis erfahren, was Theodor W. Adorno, der große Frankfurter Schulmeister, in seinen Noten zur Literatur (I, Berlin und Frankfurt a.M. 1958) über mein Lieblingssatzzeichen, die (m.o.w.) bedeutungsschwangeren drei Pünktchen am Satzende, Vernichtendes geäußert hatte:
Die drei Punkte (...) suggerieren die Unendlichkeit von Gedanken und Assoziation, die der Schmock nicht hat, der sich darauf verlassen muss, durchs Schriftbild sie vorzuspiegeln.
(Zum Troste gereichte mir dann sogleich die Information aus derselben Quelle, dass sowohl Heidegger sein Hauptwerk Sein und Zeit mit diesem inkriminierten Tripelpunkt begann als auch Derrida seine kaum minder epochale Grammatologie damit ausklingen ließ...*)
Ein anderes Diktum eines anderen Großen, nämlich von Victor Klemperer (in seinem genial-imposanten LTI – Notizbuch eines Philologen), möchte ich hingegen nicht gänzlich unkommentiert lassen; er schrieb nämlich über die inflationären Gänsefüßchen in der Sprache des Dritten Reiches:
Chamberlain und Churchill und Roosevelt sind immer nur „Staatsmänner“ in ironischen Anführungszeichen, Einstein ist ein „Forscher“, Rathenau ein „Deutscher“ und Heine ein „deutscher Dichter“.
Diese Praxis (die auch die BLÖD-Zeitung jahrzehntelang übte, indem sie immer nur von einer „DDR“ schrieb), halte ich allerdings nicht für genuin nazistisch, sondern für ein legitimes (und so auch von mir fleißig eingesetztes) Stilmittel der Distanzierung gegenüber einem hoheitlichen und ein falsches Denken befördernden Sprachgebrauch - als Beispiel nenne ich das Begriffspaar "Arbeitgeber" (i.e. der Ausbeuter, der sich tatsächlich die Arbeitskraft "seiner" Mietsklaven aneignet, also nimmt) vs. "Arbeitnehmer" (eben dieser Mietsklave bzw. Lohnarbeiter, der seine Arbeitskraft gezwungenermaßen - nebst einem von Marx beschriebenen Mehrwert - hergibt)...*
* Jetzt erst recht!
zum Heidegger (der ja wohl dann mal wieder recht hatte): streng genommen beginnt ja nicht das Buch (als Text Heideggers), sondern nur das vorangestellte Motto mit den '...', und das auch nur, weil es ein Platon-Zitat ist, das sinn- bzw. kontextgemäß um den Satzanfang verkürzt wurde.
Was Derrida betrifft: zumindest in meiner dt. Ausgabe endet das Buch mit einem ganz gewöhnlichen Punkt, dieser nach einem Rousseau-Zitat [Man könnte denken: außer Zitaten nix gewesen bei den Philos!], welches zweckdienlicherweise ebenso um den Satzanfang gekürzt und mit Punkten eingeleitet wurde; also ein übliches Zitierverfahren ohne besondere Semantik.
Wohl aber hat der Herr Nietzsche diese bedeutungsschwangeren Zeichen am Ende eines Absatzes/ Aphorismus [?] mal gerne benutzt.
Ich sach ma: wieder eine der Transcript-Veröffentlichungen, die der Beschäftigungs- und Veröffentlichungsnot semiprofessioneller Akademiker entspringt, die den ganzen Kommerz-Hochschul-Klimbim, wenn auch 'mit Vorbehalten' und pseudokritischen Allüren schön mitbetreiben, um ja auch mit absahnen zu dürfen!!
Aber Nietzsche ist als Referenz natürlich auch nicht gerade letzte Wahl. Da hätt ich hier gleich mal einen Dreier:
Man muss der Menschheit überlegen sein durch Kraft, durch Höhe der Seele, - durch Verachtung... (aus dem Vorwort zu Der Antichrist)
komplexen - sehr schön ja auch seine ersten Kapitel aus Ecce Homo:
Warum ich so weise bin
Warum ich so klug bin
Warum ich so gute Bücher schreibe
➥ Zur Petition Weiterentwicklung: Demokratie
➥ Das Prinzip Permanentes Plebiszit
We were all just hanging around waiting to die and meanwhile doing little things to fill the space.
Charles Bukowski