Es ist doch eigentlich vollkommen uninteressant, ob Günter Grass nun ein alter Nazi, ein prototypischer Antisemit, ein mediengeiler Patron, ein miserabler Dichter oder vielleicht auch schon ein bisschen dement ist. Interessant wäre es dagegen, folgende Themen zu debattieren:
(1.) Hat ein Staat, dessen Nachbarn (Russland, China, Indien, Pakistan, Israel sowie die in der Region militärisch nahezu omnipräsenten USA) über Atomwaffen verfügen, das Recht, ebenfalls Atomwaffen zu entwickeln? Haben umgekehrt andere Staaten das Recht, solche Bemühungen durch einen "Präventivschlag" zu unterbinden?
(2.) Welche Interessen stecken hinter den Kriegsdrohungen Israels und der USA gegen den Iran? Geht es womöglich darum, die "logistische Lücke" zwischen Irak und Afghanistan zu schließen, mithin um die Hegemonie im ölreichen "Mittleren Osten"?
(3.) Ist Kritik an der Politik der israelischen Regierung tatsächlich per se antisemitisch (auch, wenn sie von Juden kommt)? Hat die deutsche Regierung aufgrund ihrer "historischen Verantwortung" die Pflicht, Israel (u.a. mit Waffenlieferungen) bedingungslos zu unterstützen? Enthält die kriegsvorbereitende und israelophile Rhetorik nicht selbst oftmals rassistische, islamfeindliche Stereotypen?
All dies ließe sich trefflich und vielleicht sogar fruchtbringend diskutieren; und vielleicht auch, ob Krieg generell noch als legitimes Mittel der Politik angesehen werden sollte oder Waffenproduktion und -exporte wirklich noch zeitgemäße Wirtschaftszweige sind.
Statt dessen quietscht und eiert die ewige alte Leier vor sich hin, und ein reaktionärer alter Sack wie Henryk M. Broder merkt gar nicht, dass er, wenn er Grass als autoritären Knochen und larmoyanten Autisten bezeichnet, der vor seinen Freunden mehr Angst als vor seinen Feinden haben müsste (und en passant wieder mal eine geistige Nähe zwischen NPD und Linkspartei behauptet), eigentlich ein stimmiges Psychogramm von sich selbst abliefert.
➥ Zur Petition Weiterentwicklung: Demokratie
➥ Das Prinzip Permanentes Plebiszit
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Charles Bukowski