Wieder mal ein Wort zum Sonntag

Ein #Aufschrei über plumpe Avancen von (nicht nur) Weinkönig Reiner Brüderle geht durch die Medien und befeuert die seit langem schwelende Sexismus-Debatte (in der es u.a. auch um Frauen- und Flexi-Quoten geht). Herren wie Lanz oder Matussek (und mit ihnen manch alte Grande Dame) wittern eine Kampagne, dissen ihre Verständnis signalisierenden Geschlechtsgenossen als Weicheier und beschwören eine Political Correctness-Hölle herauf, in der ein Mann nicht mehr gemeinsam mit einer Frau Auto oder Aufzug fahren dürfte (womit unterschwellig auch islamophobe Affekte hervorgekitzelt werden). Frauen dagegen bemühen sich vergeblich (und gelegentlich übers Ziel hinausschießend), den Kerlen die feinen Unterschiede zwischen nettem Kompliment, blöder Anmache und bedrohlicher Übergriffigkeit klarzumachen.
Viele Teilnehmerinnen betonen, dass weniger Umgangsformen, Flirten oder Sex Gegenstand der Diskussion seien, sondern dass es vor allem um Macht gehe. Tatsächlich krankt unser zwischengeschlechtliches Miteinander wohl auch allzu oft daran, dass wir bestimmte Klischees (z.B. "der Mann macht immer den ersten Schritt") von klein auf anerzogen bekommen und verinnerlicht haben und nolens volens reproduzieren und perpetuieren. Aber das Kennenlernen spielt sich eigentlich auch immer vor einem bestimmten ökonomischen Hintergrund ab - bei der Arbeit, an der Elite- oder Resteschule, in der Nobeldisco oder der Kneipe nebenan. Da ist statt spontanem Flirten oft strategisches Baggern angesagt – wer ist und wer macht die beste Partie?
Männer kaufen Frauen (und manchmal Männer; und manchmal kaufen Frauen Männer, oder auch Frauen). Sex ist nicht nur eine Dienstleistung wie viele andere, sondern dem Hörensagen nach sogar das älteste Gewerbe der Welt. Traditionell aber gilt: Geschäfte sind Männersache.
"Wer zahlt, schafft an" – und darf das Maul aufreißen.
Sexismus ist – wie Rassismus und jede andere Form des Faschismus ("Wir - Guten - gegen die Anderen") – Ausdruck und Ventil einer steil hierarchisierten Gesellschaft, die auf der Unterdrückung und Ausbeutung der Vielen durch eine kleine Minderheit Obenstehender basiert.
Natürlich sollten wir uns alle jetzt und immer schon im Alltag so zueinander verhalten, als wären wir alle gleichberechtigt. Ohne echte politische und ökonomische Gleichberechtigung aber müssen solche Bemühungen wohl letztendlich erfolglos bleiben.
➥ Zur Petition Weiterentwicklung: Demokratie
➥ Das Prinzip Permanentes Plebiszit
We were all just hanging around waiting to die and meanwhile doing little things to fill the space.
Charles Bukowski