Ente am Ende
Zypern – wie geht’s weiter?
Mittwoch, 20. März 2013, 14:44

Das zypriotische Parlament hat das "Hilfspaket" (sprich: das Diktat) von EU und IWF abgelehnt. Besondere Empörung hat ausgelöst, dass auch die "Kleinsparer" mit 6,75% ihrer Guthaben über 20.000€ (und über 100.000€ mit 9,99%) zur Kasse gebeten werden sollten.

Nun finde ich persönlich, dass Menschen, die mehr als 20.000 Euronen auf der hohen Kante haben, nicht unbedingt zu den ganz kleinen Leuten gehören (hierzulande z.B. haben zwei Drittel der Bevölkerung gar kein Vermögen, sondern Schulden); auch finde ich 6,75 und 9,99 Prozent noch einen relativ moderaten "Negativ-Zins" (zur Erinnerung: bei der "Währungsunion" wurden alle DDR-Guthaben über 6.000 Mark um die Hälfte vermindert); aber natürlich wäre es besser gewesen, die wirklich großen Fische (Geldwäscher und Steuerhinterzieher) in erheblicherem Maße zu enteignen. Aber dort soll ja nicht Gerechtigkeit geübt, sondern ein Exempel statuiert werden, um den vermeintlich kleinen Leuten in den übrigen Ländern der EU einzubläuen, was ihnen blühen sollte, wenn sie nicht brav die verordneten Sparmaßnahmen (also v.a. Lohn-, Renten- und Sozialleistungskürzungen) schlucken. Die kleine, abgelegene und im Alphabet ganz hinten stehende Republik Zypern gilt offenbar als unbedeutend genug, um dieses möglichst abschreckende Beispiel durchzuexerzieren.

Was könnte also passieren? Wenn keine Kohle mehr von der EZB kommt, steht wohl die Zahlungsunfähigkeit bevor; d.h., der Staat könnte die Gehälter seiner Bediensteten ebensowenig mehr auszahlen wie Renten und Sozialleistungen. Die Schwächsten und Ärmsten, die keine Möglichkeit haben, sich anderweitig über Wasser zu halten oder das Land zu verlassen, wird es wie immer als Erste und am härtesten treffen. Wahrscheinlich wird dann auch bald das Zypern-Pfund wieder eingeführt, und die (gar nicht so) Wirtschaftsweisen können studieren, was passiert, wenn ein Mitglied aus dem Euro-Währungsraum "ausscheidet". Vielleicht wird aber auch Russland (wo wohl viele der "Großsparer" herkommen) als Kreditgeber einspringen, und Zypern führt langfristig den Rubel ein?

senf dazu



samuel david herr, 2013.03.20, 16:50
Oder aber Zypern zeigt als erstes Land in Europa, daß sonne Staatspleite nicht das Ende der Welt bedeutet, indem es sich selbst konsolidiert, seine Wirtschaft über wenige Jahre hinweg saniert und wieder zu neuer Blüte führt.

So wie drüben in .... vergessen ... Panama? Paraguay? Irgendein südameikanisches Land hat vor einem knappen Jahrzehnt Bankrott jemeldet ... und is trotzdem noch da ... hat sich gut erholt ... hab ich irgendwo gelesen ...

Wenn se pipl in Juropp mitbekommen irgendwann, dat auch NACH einer Pleite das Leben weitergeht, ganz ohne Spardiktat und Rettungsschirm, wird die Kagge ganz schön dampfen in Brüssel und auch in Deutschland. Deswegen DARF Zypern nicht pleite gehn. Sonst wird Angie aufm Marktplatz erhängt.

Yo, Argentinien 1998 - das war allerdings ein Riesenland mit etlichen Rohstoffen, und da ging's auch erstmal ziemlich bergab...

"Jetzt wird es erstmal schlimmer, bevor es besser wird..."
Das schrie gerade nach diesem "Zitat"^^°

Neues Wording für das alte kirchliche Versprechen einer Belohnung fürs fügsam geduldete irdische Jammertal im Jenseits... ; )

Das mit dem "bergab" wird sich nich vermeiden lassen auf Dauer. Die Frage is halt, ob man nich Stück für Stück "kontrolliert" inne Insolvenz geht oder, wenn die Rettungsschirmerei irgendwann mit einem großen Platscher explodiert, den ganzen verfickten Kontinent wegschmeißen kann.

So oder so ... bergab is unausweichlich.

Tja, ich bin da Optimist: ich glaube, es ginge auch bergauf. Einfach mal alles auf den Tisch legen und gerecht aufteilen...
senf dazu
 

uwe sak, 2013.03.21, 16:43
Guckst Du hier:


http://www.spiegel.de/wirtschaft/s-p-o-n-die-spur-des-geldes-hilfe-durch-staatsbankrott-a-889990.html

Und das sagt Sahra:
Um die Banken zu sanieren und die Schulden zu verringern müssen die Aktionäre der Banken sowie die Inhaber von Bankanleihen vollständig haften. Einlagen von Ausländern sind bis zu 100 000 Euro und von zypriotischen Sparern und Unternehmen bis zu 500 000 Euro zu garantieren. 20 Prozent der Einlagen über 500 000 Euro und 100 Prozent der Einlagen über 1 Million Euro sind einzufrieren.
senf dazu
 

wuerg, 2013.03.26, 19:21
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätten wir DDR-Bürger über den Tisch gezogen und nur bis 6000 Mark 1:1 umgetauscht. Unterm Strich gab es pro Person 6000 harte D-Mark für 9000 schwache DDR-Mark. Da konnte der Besitzende nicht jammern. An einen Schuldenerlaß kann ich mich nicht erinnern. Bluten mußten vor allem Betriebe, die in D-Mark nicht mehr wettbewerbsfähig waren.

Nun ja - was die Kaufkraft anging, war die Mark der DDR nicht ganz so schwach: so kostete z.B. Ende der 1980er eine Currywurst mit Schrippe auf dem Alex 90 Pfennige und ein halber Liter Bier in der Disco 98 Pfennige; der Mietpreis pro Quadratmeter betrug auch ungefähr eine Mark (und damit etwa nur ein Zehntel der damaligen Durchschnittsmieten in der BRD) usw.usf.
Dem gegenüber standen allerdings auch entsprechend nominell niedrigere Löhne und Renten, weswegen die Umstellung 1:1 faktisch eine Massenenteignung darstellte.
Im internationalen Handel war die Ostmark dagegen tatsächlich wenig wert, was (meiner Einschätzung nach) an der falschen Devisenpolitik der DDR und der Warschauer-Pakt-Staaten insgesamt lag, die sich auf einen unseligen Wettbewerb mit den kapitalistischen Staaten eingelassen hatten - aber das Thema ist zugegebenermaßen kompliziert.
Bei Wikipedia heißt es übrigens zu dem Thema: Schätzungen aufgrund von Berechnungen des Warenkorbs gehen heute davon aus, dass die Kaufkraft der Mark der DDR 1989 insgesamt etwa genauso groß war wie die der D-Mark.


Ein DDR-Betrieb, der ein Sofa für 1000 Ostmark herstellte und für 200 Westmark in die BRD exportieren durfte, abeitete wirtschaftlich. Nach der Wende konnte man für diesen Preis nicht mehr produzieren, denn Material und Löhne kosteten auf einmal D-Mark. Es gab reichlich Verlierer. Kleinsparer, die zuvor noch 1:5 getauscht hätten, gehörten nicht dazu.

Für eine D-Mark gab es fünf Currywürste. Das war realistisch, wenn auch ungerecht. Wir hätten die DDR anerkennen und ihre Bürger wie normale Ausländer behandeln müssen. Dann hätte die DDR sich im Wettbewerb behaupten können. Insofern ist eine Rückzahlung nicht ungerecht, der sog. Soli hinzunehmen. Aber nicht wegen der Kleinsparer.

Anstatt Waren für das kapitalistische (= feindliche) Ausland herzustellen, hätte sich der sozrealistische Wirtschaftsraum lieber um Autarkie bemühen (und die SU z.B. sich nicht auf einen ruinösen "Wettlauf ins Weltall" einlassen) sollen.
Es spricht allerdings auch wieder für den Lebensstandard in der DDR, dass einige ihrer Bürger_innen offenbar genug Geld übrig hatten, um z.B. für eine Schachtel West-Kippen einen halben Tageslohn hinzulegen (eine Packung "Karo" kostete meiner Erinnerung nach 1,60; Filterfluppen gab's ab 2,50).
senf dazu
 
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