Betrifft: "Aktuelles Lexikon: 6 aus 49", SZ vom 5. April 2013, S.4
Liebe Süddeutsche, liebe(r) CWB,
vermutlich anlässlich der Ziehungspanne beim letzten Mitwochslotto schreibst du im "Aktuellen Lexikon" u.a.:
(...) die Wahrscheinlichkeit, sechs Richtige sowie die zusätzliche Superzahl zu treffen, (...) liegt bei 1 zu knapp 140 Millionen. Man müsste also etwa 2,7 Millionen Jahre lang jede Woche einmal Lotto spielen, um einmal das große Los zu ziehen.
Dies ist, mit Verlaub, nicht ganz korrekt, wie ich an einem sehr einfachen Beispiel verdeutlichen möchte:
Wenn wir eine ideale Münze werfen, liegt die Wahrscheinlichkeit für "Zahl" bei genau 1:2. Nach deiner Logik müsste man also zweimal die Münze werfen, um einmal Zahl zu erhalten; dies ist aber eben nicht der Fall. Die Wahrscheinlichkeit, dass beide Male die andere Seite kommt, beträgt immerhin ein Viertel.
Ebenso könnte es sein, dass auch nach knapp 140 Millionen Runden noch kein Hauptgewinn erzielt wurde, wie es umgekehrt ja auch möglich wäre, schon beim ersten Versuch den Treffer zu landen.
Was du wahrscheinlich meintest, ist etwas anderes: man müsste knapp 140 Millionen Lottoscheine jeweils verschieden ausfüllen, um alle möglichen Kombinationen abzudecken und sich so sicher sein zu können, die sechs Richtigen mit Superzahl dabeizuhaben.
Weiter heißt es bei dir:
Entgegen einem weitverbreitetem Gerücht ist dies aber immer noch wahrscheinlicher, als von einem Blitz erlegt zu werden. In Deutschland sterben im Durchschnitt jedes Jahr nur drei bis sieben der knapp 82 Millionen Bewohner durch einen Blitzschlag.
Auch das bedarf meines Erachtens einer Präzisierung: wenn drei bis sieben (also im Mittelwert fünf) von knapp 82 Millionen Menschen im Jahr betroffen sind, wären das 1 zu knapp 16,4 Millionen. Man müsste also schon mindestens neun mal im Jahr Lotto spielen, um eine höhere Wahrscheinlichkeit für den Hauptgewinn als für einen tödlichen Blitzschlag zu erhalten.
Interessanter für die Betroffenen (damit meine ich jetzt die Spieler) wäre aber vielleicht die Information gewesen, dass nur 50 Prozent der Lottoeinnahmen wieder ausgeschüttet werden, ganz unabhängig davon, ob (und wenn ja, wie viele) "sechs Richtige mit Superzahl" dabei waren - was dazu führen kann, dass ein Sechser nur eine vergleichsweise niedrige Summe z.B. im fünfstelligen Bereich einspielt, wenn die Gewinnzahlen von vielen Spielern angekreuzt wurden (deshalb raten Profis von den Zahlen 1 bis 31 ab, weil viele Menschen Geburtsdaten tippen). Diese Tatsache wird durch den sogenannten "Jackpot" gezielt und offenbar erfolgreich verschleiert.
Zum Vergleich: bei Pferderennen beträgt die Gewinnausschüttung meist 75 Prozent, beim Roulette ungefähr 97,3 Prozent (genau 36:37, wegen der "grünen Null") und bei privat organisierten Wetten 100 Prozent.
Lotto ist also mit Abstand das Glücksspiel mit der geringsten Gewinnerwartung, allerdings mit der exorbitantesten möglichen Gewinnhöhe.
Dass der Staat, der ansonsten ja auch einiges unternimmt, um Spielsüchtige vor sich selber zu schützen, seinen Bürgern ein derart fragwürdiges Angebot macht, ist meiner Meinung nach nur teilweise dadurch zu rechtfertigen, dass die Einnahmen angeblich "guten Zwecken" zufließen.
An die denkt mal wieder keiner, oder wie?
Kurze Frage an den Fachmann:
Wie hoch ist eigentlich die Wahrscheinlichkeit, einen Hauptgewinn in der staatlichen Lotterie nach dem System "6 aus 49" zu landen, NACHDEM man einen Blitzschlag überlebt hat?
vielen Dank für Ihre Mail zum Aktuellen Lexikon. Ja, Sie haben Recht, dass auch nach 140 Millionen Ziehungen ein Hauptgewinn nicht sicher und schon bei der ersten Ziehung ein Gewinn möglich wäre. Die Wahrscheinlichkeit für jeden einzelnen Wurf bleibt natürlich gleich - wie auch sonst? Vielleicht hätte ich das noch erläutern sollen.
Zum zweiten Punkt: Ich finde, man darf eben nicht die Wahrscheinlichkeit des Blitztods über ein Jahr mit einer einzigen Ziehung im Lotto vergleichen, sondern gleiche Zeiträume nehmen. Und der typische Lottospieler spiel eben viele Male im Jahr, nicht wenige sogar jedes Woche. Wenn man von dieser Praxis ausgeht, stimmt meine Behauptung schon.
Natürlich hätte man das alles erläutern können, aber der Platz im „Aktuellen Lexikon“ ist halt knapp bemessen.
Beste Grüße,
Christian Weber
➥ Zur Petition Weiterentwicklung: Demokratie
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