Ente am Ende
Das Gift des Nationalismus
Mittwoch, 14. August 2013, 17:13

"Ich kenne keine Parteien mehr - ich kenne nur noch Deutsche!" Mit diesen dämlichen Worten brachte Kaiser Wilhelm II. 1914 die Abgeordneten der SPD dazu, den zur Weltkriegsführung benötigten Krediten zuzustimmen. Ähnliches wiederholte sich 1992, als nach der (politisch offenbar provozierten oder zumindest wohlwollend in Kauf genommenen) Pogromstimmung in Rostock-Lichtenhagen die Spezialdemokraten mit CDU/CSU den sogenannten "Asylkompromiss" (i.e. ein Asylbeschiss) vereinbarten, durch den das im Grundgesetz garantierte Recht durch das "Prinzip der sicheren Drittstaaten" praktisch abgeschafft wurde.

Heute nun ist zu lesen: Zahl der Asylbewerber steigt weiter an - und Innenminister Hans-Peter Friedrich nennt den Anstieg alarmierend. Was ich allerdings viel alarmierender finde als die Tatsache, dass in diesem Jahr die Marke von 100.000 Asylerstanträgen erreicht werden könnte (also gerade einmal 0,12 % der BRD-Bevölkerung, was angesichts der Flüchtlingszahlen in anderen Ländern der Welt, z.B. rund um Syrien, aber auch an den Außengrenzen der EU, etwa in Griechenland, Italien und Spanien, lächerlich wenig wäre), ist die pünktlich zur Bundestagswahl geschürte und wahlstimmenversprechende Ausländerfeindlichkeit und allgemein der ihr zugrundeliegende Nationalismus.

Bei Wikipedia ist nachzulesen: Volk im Sinne von Nation (...) gilt (...) als ein Konstrukt des 19. Jahrhunderts mit erheblicher Wirkungsmacht. Und tatsächlich definieren sich heutzutage und hierzulande auch viele (vermeintlich) "Linke" als "Deutsche" - freilich ohne genau benennen zu können, was damit genau gemeint und wie es definiert sein sein soll und wieso z.B. die Österreicher oder die Deutschschweizer nicht (oder doch?) dazugehören sollten.

Das, was heute als "das Deutsche Volk" beschworen wird, ist eben ein historisch sehr junges (wenn auch ganz und gar nicht mehr "unschuldiges") Gebilde, das allerdings (wie alle anderen Nationen auch) angesichts eines global vernetzt agierenden und dabei völlig entfesselten Kapitalismus (sprich: "Weltwirtschaft") auch schon wieder überholt ist. Denn merke: Die Arbeiter haben kein Vaterland (Marx & Engels, Manifest der Kommunistischen Partei).

(Interessant in diesem Zusammenhang wäre übrigens auch die Frage, inwiefern z.B. die aus Kolonien hervorgegangenen Staaten im subsaharischen Afrika, bei denen heute noch die durch imperialistische Federstriche gezogenen Grenzen Sprach- und Religionsgemeinschaften einerseits zerschneiden, andererseits zusammenzwingen, "Nationen" sein oder jemals werden sollten.)

In diesem Sinne möchte ich den kaiserlichen Unfug von vor 99 Jahren zu einem (immer noch) zeitgemäßen Diktum umformulieren:
Ich kenne keine Deutschen mehr - ich kenne nur noch Ausbeuter und Ausgebeutete!

senf dazu



uwe sak, 2013.08.14, 17:45
Zitat "Ich kenne keine Deutschen mehr - ich kenne nur noch Ausbeuter und Ausgebeutete!"

Das ist doch hervorragend. Und Du willst zu schüchtern sein, um in Diskussionen Deinen Standpunkt klar und deutlich zu vertreten (wie Du in Deinem vorigen Beitrag behauptest)?
Du hast zu wenig Selbstvertrauen, denn ich finde Deine Argumente sehr gut, auch dann, wenn wir mal nicht einer Meinung sind.

Es ist eben ein Unterschied, ob schriftlich (mit der Gelegenheit zu nochmaligem Lesen und ggf. Korrigieren) oder mündlich in großer Runde und aufgeheizter Atmosphäre diskutiert wird - Letzteres liegt mir leider eher wenig.
Aber vielen Dank für die ermutigenden Worte... : )
senf dazu
 
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