Der honorige Feuilletonchef der ZEIT, Jens Jessen, übt Gesellschaftskritik (bzw. das, was er dafür hält), indem er die Unart seiner Journalistenkollegen, die intimsten Geheimnisse der Mächtigen auszuspähen und auszuplaudern, anprangert; u.a. mit folgenden erstaunlichen Argumenten:
Zeigt sich die Notwendigkeit einer Vermögensteuer für reiche Erben an der Größe ihrer Cottages (wie das bescheidene erste Domizil von Kate und William auf Anglesey, von dem jetzt Bilder erschienen sind)?
Dazu folgende Hintergrundinformationen aus der Bunten:
ein weiß gestrichenes Cottage mit vier Schlafzimmern (…) liegt sehr abgeschieden und ist von privatem Land umgeben. Der Ausblick auf einen kleinen Strand soll fantastisch sein.
Ja, da dürfte manch Sozalwohnungsinsasse oder Obdachloser gerührt sein über so viel Bescheidenheit…
Weiter Herr Jessen:
August der Starke (…) hat, zugegebenermaßen, auch die Staatsfinanzen ruiniert – aber was wäre Sachsen heute ohne ihn, ohne seinen Ruhm und seine kulturelle Hinterlassenschaft?
Merke: Not und Elend der Bevölkerung im Hier und Jetzt gehen schon in Ordnung, solange man als Regent nur ein paar schöne Geschichten, Gemäuer und Luxusobjekte hinterlässt.
Und von Bismarck haben wir noch gar nicht geredet. Was hätte die moderne Presse aus seiner Trunksucht, seinen Heulkrämpfen, seinen mit politischen Inkorrektheiten nicht sparsamen Reden gemacht? Sie hätte den großen und im Übrigen sehr verantwortungsbewussten Kanzler ohne Zweifel aus dem Amt gejagt.
Aber natürlich – der große Bismarck, der den Krieg gegen Frankreich angezettelt, das unselige Deutsche Kaiserreich begründet und die Sozialisten in die Kerker hat werfen lassen: auf den beruft sich ein guter deutscher Großbürger (immerhin ist Jens Jessen ja Enkel des gleichnamigen nationalsozialistischen Wirtschaftsprofessors) immer wieder gerne.
Die ganze Suada gipfelt schließlich in folgender Sentenz:
Es wäre aber an der Zeit, einzusehen, dass ein unglaubwürdiger Ehemann durchaus ein glaubwürdiger Politiker sein kann. Denn viel häufiger und trostloser ist der umgekehrte Fall des Mannes, der nur als Ehemann glaubwürdig ist – aus Feigheit und Fantasiemangel. (Gleiches gilt natürlich für Politikerinnen.)
Wer als Ehemann (oder – „natürlich“ – Ehefrau) „glaubwürdig“ (damit dürfte hier wohl gemeint sein: dem Ehepartner nicht „untreu“) ist, zeigt sich damit also nur feige und fantasielos?!? Herr Jessen: könnte es am Ende möglich sein, dass Sie (im zarten Alter von knapp 60 Jahren) soeben ihre erste außereheliche Affäre aufgenommen haben und ihnen nun die ungewohnt sprudelnden Hormone zu Kopfe gestiegen sind?
Ich so:” Frauen, die ihr Geld damit verdienen, sich männlichen Trieben unterzuordnen, sind als Nestbeschmutzer anzusehen, die echte Gleichberechtigung in der Gesellschaft für den Rest ihres Geschlechtes auf lange Sicht unmöglich machen.”
Meine Alte so: “Um Gleichberechtigung zu erreichen, muß sich das Denken der Männer ändern, nicht das Verhalten der Frauen.”
Ich so: “Darauf kannste lange warten. Die Männer haben keinen Handlungsbedarf, die sind ja schon im Vorteil. Das muß man ihnen abringen.”
Meine Alte so:” Was am Markt konsummiert wird, hat auch Existenzberechtigung. Der Konsument ist es, der die Nachfrage bestimmt und seine Kaufgewohnheiten ändern muß.”
Ich so: “Schlauchbootlippen begehen Verrat am eigenen Geschlecht:”
Meine Alte so: “Wichsvorlagen sind nicht weniger wichtig als Hosenanzüge. Die Frau wird es niemals allen Männern recht machen können, egal was sie tut”
Ich so:” Es geht eben NICHT darum, es Männern recht zu machen. Diejenigen, die absichtlich darauf hin arbeiten, Männerphantasien zu bedienen, laben sich an einen ungerechten System, statt es zu bekämpfen.”
Meine Alte so: “Zu sich selbst zu stehen und eigene Überzeugungen zu vertreten, ist kein Verrat, auch wenn es um offensive Sexualisierung geht.”
Ich so: “Solange Frauen sich frauenfeinlichen Normen anpassen, unterstützen sie den Status Quo.”
Meine Alte so: “Solange Männer die Wichsvorlage weniger respektieren als den Hosenanzug, ist Änderung ohnehin ausgeschlossen”
Wer hat recht?
Eigentlich neige ich ja eher denjenigen zu, welche die Systemfrage stellen, anstatt das Regulativ des Marktes zu beschwören. Mag aber sein, dass ich hier aus verschiedensten Gründen nicht tatsächlich hundertprozentig objektiv bin.
Eine letzte lingusitische Anmerkung kann ich mir allerdings nicht verkneifen: Frauen sind eigentlich nicht als Nestbeschmutzer anzusehen - sondern als Nestbeschmutzerinnen.
Soviel Zeit muss sein...
➥ Zur Petition Weiterentwicklung: Demokratie
➥ Das Prinzip Permanentes Plebiszit
We were all just hanging around waiting to die and meanwhile doing little things to fill the space.
Charles Bukowski