Ente am Ende
Mit der Waffe in der Hand gegen Mehrheitsterror
Gedankenaustausch mit dem Schriftsteller Leander Sukov
Donnerstag, 4. Februar 2016, 13:06

Gestern Abend hatte ich eine längere (etwa sechsstündige) Unterhaltung mit meinem Facebook-"Freund" Leander Sukov, ausweislich seines (verdächtig umfangreichen) Wikipedia-Eintrags deutscher Schriftsteller und Autor, Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland und Artikelschreiber u.a. für Junge Welt und Unsere Zeit.

Auf seiner Profilseite hatte er ein selbstgedrehtes Video (eigentlich ein gefilmtes Sprach-Selfie) eingestellt, in dem er unter dem Titel "Gegen das gesunde Volksempfinden" seine Skepsis gegen "direkte Demokratie" zum Ausdruck brachte.

Das rief mich alten Direktdemokraten natürlich gleich auf den Plan, und es entspann sich ein (für mich anfänglich erschreckender, dann vielversprechender, am Ende aber dann doch wieder eher ernüchternder) Schriftwechsel, den ich hier zu Dokumentationszwecken in voller Länge unredigiert und unkommentiert wiedergeben möchte:

txxx666: Lieber Leander - was hieltest du denn vom Prinzip des Permanenten Prinzips?
Prinzip Permanentes Plebiszit

Leander Sukov: Rechtsprechung durch Volksabstimmung? Wie soll das gehen. Ich sehe in Volksabstimmungen auch das Element der Willkür und die Aufgabe von Freiheiten

txxx666: Plebiszitäre Rechtsprechung, z.B. ungefähr so:
8. Plebiszitäre Rechtsprechung

Leander Sukov: Das ist Willkür und Menschenfeindlichkeit in reiner Form. Gegen eine solche Form von Rechtsprechung, gar Regierung, bin ich, um es mit Jean Genet zu sagen, jederzeit bereit die Waffe in die Hand zu nehmen.

txxx666: ? Wenn alle Beteiligten sich zusammensetzen und für ein Vergehen eine sinnvolle Wiedergutmachung aushandeln, was ist denn daran menschenfeindlich?

txxx666: Du würdest also lieber die Waffe in die Hand nehmen, als einen Mehrheitsentscheid zu akzeptieren? Ist ja erschreckend...

Leander Sukov: Das ist nicht erschreckend. Das ist humanistisch notwendig.

txxx666: Das heißt, du erlaubst dir selber zu entscheiden, was humanistisch ist, und sprichst das aber der Mehrheit der Menschen ab?

txxx666: Und würdest dann auf Menschen schießen? Seltsame Art von Humanismus...

Leander Sukov: Nein. Warum?

txxx666: Deine Definition von Humanismus scheint mir eher etwas faschistisch zu sein: "Wer nicht meiner Meinung ist, muss sterben!"...

Leander Sukov: Nein. Ich bin aber strikt dagegen, das die Todesstrafe durch eine Mehrheit verhängt wird, die irgendwelche Strafmaße festsetzen kann. Morgen dann setzt sie fest, dass alle Braunäugigen ausgewiesen werden und übermorgen, daß auf Ehebruch Steinigung steht. DAS ist eine faschistoide Idee von Scheindemokratie.

txxx666: Du glaubst wirklich, dass die Mehrheit der Menschen so denkt? Dann hast du aber wirklich eine traurige Vorstellung von der Menschheit...
Lass dich doch bitte nicht von den 10 oder 20 Prozent rechten Arschgeigen irre machen. Ich zitiere nochmal das, was ich weiter unten noch zu deinem Video geschrieben habe, vielleicht hast du's ja noch nicht gelesen:

"Ich glaube, Verantwortungsbewusstsein kann sich erst dann einstellen, wenn die Menschen auch wirklich Verantwortung tragen.
Und ich glaube, das überkommene Modell eines parlamentarischen Deckmäntelchens, bei dem von Lobbyisten umgarnte Repräsentanten (im Bundestag ca. 0,001 % der Wahlberechtigten) letztlich die Interessen der Wirtschaft bzw. dem oberen ein Prozent der Bevölkerung exekutieren, kann nur in einen raschen Untergang führen.
Mit der heutigen Technik brauchen wir keine für Jahre gewählten Vertreter wie im Postkutschenzeitalter, sondern könnten täglich über unsere Belange gleichberechtigt mitentscheiden - im Kleinen (ob in der Nachbarschaft eine Straße gebaut oder ein Park angelegt wird) wie im Großen (ob wir als Menschheit lieber den Mars erforschen oder zuerst den Hunger besiegen wollen), welche Steuern wir erheben und welche soziale Grundversorgung wir für alle wollen - und wenn sich in komplizierten Fragen Viele enthalten und nur ein Prozent Experten einen gleichberechtigten Diskurs führen würden, so wären dabei immer noch bessere Ergebnisse zu erwarten, als wenn es (wie heute) Berufspolitiker tun, deren einzige Expertise es leider meist ist, (wieder-)gewählt zu werden.
So würde ich übrigens nicht nur echte Demokratie, sondern auch Sozialismus und Kommunismus definieren."

Leander Sukov: Das wäre ein absoluter Unrechtsstaat mit ununterbrochener Willkür.

txxx666: Woher willst du das wissen? Änderst du selbst deine Meinung so oft? Und wie definierst du denn das, was wir heute haben? Etwa eine sinnvolle Regierungsform, die die Probleme angemessen löst?

txxx666: Ich glaube, das ist eine menschliche Grundeigenschaft (nicht nur, aber auch bei Linken): zu glauben, man sei schlauer als die Mehrheit und könne daher selbst mit einer "Elite" (Partei, Regierung, Clique) die für Alle besten Entscheidungen treffen.

Leander Sukov: Es gibt immer eine Abweichung von der idealen Linie.

txxx666: Und du glaubst wirklich, eine Art platonischer Philosophenstaat, in der die arbeitende Mehrheit von einer (möglichst gutwilligen und weisen) Minderheit regiert wird, sei das Ideal?

Leander Sukov: Nein. Ich glaube, Einheiten von Menschen sollten direkt UND im Verhältniswahlrecht Repräsentanten wählen.

txxx666: Das ist doch genau der alte Hut, der nicht funktioniert - u.a. weil die Einheiten aus historischen Gründen ziemlich willkürlich und keineswegs zweckmäßig eingeteilt sind. Oder würdest du z.B. die Staatsgrenzen in Afrika, die quer zu Sprach- und Religionsgrenzen verlaufen, als sinnvolle Einheiten bezeichnen? Und ist es wirklich realistisch, innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft jemals wirklich zuerst am Allgemeinwohl interessierte Repräsentanten zu finden? Wer sollte denn das sein?

Leander Sukov: Der Gedanke, es gäbe das Allgemeinwohl ist der Fehler. Die Entscheidungen müssen in Kompromissen ermittelt werden.

txxx666: Und genau das ist meiner Meinung nach der maximale Kompromiss: ein ständiger gleichberechtigter Diskurs, der auch politisch wirksam wird - z.B. auf einer facebook-ähnlichen Plattform. Ich bin davon überzeugt, die Leute würden auch dort gleich viel vernünftiger sprechen und "liken", wenn sie wüssten, dass auch diese (diskursiven) Handlungen Folgen haben.

Leander Sukov: Das würden nur die tun, die es auch jetzt schon tun. Es würden nur die tun, die an einer Sache interessiert sind. Und die beschließen dann mit 10 Diskutanten die Todesstrafe für den Handtaschenräuber.

txxx666: Nein, denn wenn die Leute wüssten, dass sie über alles, worüber sie in der Zeitung lesen oder im Fernsehen sehen, mitreden und vor allem mitentscheiden können, würden sie ganz bestimmt ganz schnell Alle Politik machen wollen. Das Argument, echte Demokratie würde dann fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit in irgendwelchen abseitigen rechtsradikalen Foren stattfinden, ist doch nun wirklich zu abwegig.

Leander Sukov: Sagen wir mal, es gibt in Hamburg pro Tag 1500 Abstimmungen über Strafmaße. Wie soll das gehen.
Und was ist das Berufungsgericht und die Revisionsinstanz?

txxx666: Das wären für je 1000 Hamburger ein Entscheidung pro Tag - wie erwähnt, bei Gerichtsverfahren sollten und würden sich vor allem die Betroffenen (Kläger und Beklagte sowie deren Angehörige) auseinandersetzen, was naturgemäß immer auch ein paar Unbeteiligte (die insofern relativ "objektiv" wären) interessieren wird, die dann für einen maximalen Ausgleich (nicht Vergeltung) sorgen könnten.

Leander Sukov: Von den 1000 haben aber nur 10 Lust sich zu kümmern. 8 sind Arschlöcher. Und wer ist jetzt Berufungsgericht und Revisionsinstanz?
Was Du vorschlägst ist Rechtshorror. Das ist Mehrheitsterror.

txxx666: Berufung und Revision sind jederzeit möglich, denn Mehrheiten können sich ändern. Was du beschreibst, ist der Horror. Aber wenn du nicht an das Selbstbestimmungsrecht der Menschen glaubst, weil du es ihnen nicht zutraust, dann kann ich uns wohl auch nicht helfen.

Leander Sukov: Du glaubst an das Fremdbestimmungsrecht. Du glaubst ernsthaft, dass man Willkür demokratisch legitimieren kann.

txxx666: Nein, ich glaube, Willkür ist, wenn Minderheiten (im schlimmsten Fall Einzelne) über Mehrheiten entscheiden. Das heißt dann auch Fremdbestimmung, glaube ich.

txxx666: Ich freue mich, dass du dir die Mühe machst, auf meine Argumente zu antworten, aber soweit ich das verstehe, läuft deine Gegenrede nur darauf hinaus, dass du meinst, die Mehrheit sei (a) faul (990 von 1000) und (b) dumm (acht von den zehn Übrigen) und deshalb müsse mehr oder weniger alles beim Alten bleiben...?

Leander Sukov: In Deinem Reagenzglas wäre es möglich, dass die Mehrheit entschieden kann, eine Minderheit auszuweisen oder rechtlos zu stellen.

txxx666: Noch einmal: es geht mir nicht darum, alle Jubeljahre so eine dämliche Entscheidung zur Abstimmung zu stellen, sondern um eine permanente Selbstbestimmung, und zwar auf allen Ebenen, weltweit.
Ernsthaft zu glauben, man würde in einer solchen Demokratie dann zu einer Minderheit gehören, welche die Anderen dann eliminieren wollen würden, ist schon ein bisschen paranoid.
Rein mathematisch (stochastisch) gehört jede(r) Einzelne in der Mehrheit der Fälle zur Mehrheit.

Leander Sukov: Aha. Wie in Ruanda. Oder wie die deutschen Juden.

txxx666: Ach so, das war also damals plebiszitäre Demokratie?!
Wieder was gelernt.
Und ich dachte, die hätten Anfang 1933 in Deutschland und 1994 in Ruanda parlamentarische Republiken gehabt...

Leander Sukov: Das war in Deutschland eine hohe Zustimmung zum Antisemitismus. Und da der Text ja eindeutig klar macht, dass es keine andere Regel als die Mehrheit gibt ... Ist jeder zufälligen und willkürlichen Entscheidung das Tor geöffnet.
Wer ist denn nun die Revisionsinstanz?

txxx666: Zu behaupten, die antisemitische Politik hätte in Deutschland 1933-1945 eine demokratische Mehrheit bekommen, halte ich für sehr gewagt. Soweit ich weiß, hatte ja nicht einmal die NSDAP jemals eine absolute Mehrheit, und dass sie an die Macht kam, zeigt ja auch wieder nur die Schwäche des von dir so verteidigten parlamentarischen Repräsentantensystems.
Revision, habe ich oben schon geschrieben, ist jederzeit möglich, weil sich Mehrheiten im Laufe der öffentlichen Argumentation und Meinungsbildung ändern können.

Leander Sukov: Wie jetzt? Der Delinquent wird verurteilt. Und dann, kurz vor der Hinrichtung wird nochmal abgestimmt?

txxx666: Wer redet denn außer dir dauernd von Hinrichtungen? Und ja, natürlich wird ständig abgestimmt, das ist doch das Prinzip, dass ich hier versuche begreiflich zu machen.

Leander Sukov: Das heißt, man weiß nie, wo man steht? Und der Text sagt, wenn die Mehrheit für die Todesstrafe ist, wird hingerichtet

txxx666: Noch einmal: ich glaube, dass Alle, die vielleicht heute folgenlos bei irgendwelchen Umfragen die Todesstrafe fordern, sich in dem Moment, wo sie echte (Mit-)Verantwortung tragen würden, sehr viel genauer überlegen würden, was das im Einzelfall (und in letzter Konsequenz auch für sie selber) bedeuten würde.
Und wenn es tatsächlich im Einzelfall dazu käme, dass eine Mehrheit jemanden (vielleicht Adolf Hitler, wenn er noch lebte) zum Tode verurteilen würde, dann müssten wir beide das vielleicht hinnehmen als Preis der mehrheitlich so empfundenen Gerechtigkeit - aber Moment, wie war das jetzt, du wolltest doch eben selber noch die Waffe in die Hand nehmen...?

Leander Sukov: Ja, der Widerstand gegen die, die es unternehmen Rechtssicherheit abzuschaffen, ist erstens rechtens und zweitens keine Hinrichtung

Es würde viel eher als ein Verbrecher auf dem Regierungssessel irgendein Delinquent hingerichtet, der unbekannt ist und einfach übersehen wird.

txxx666: Also war z.B. die Hinrichtung von Adolf Eichmann deiner Meinung nach ein barbarischer Akt?

txxx666: Oder der Kriegsverbrecher in Nürnberg?

txxx666: ... gegen den du mit der Waffe in der Hand vorgegangen wärst?

Leander Sukov: Nein, wieso?

txxx666: O sorry, ich hatte gerade in deinen Ausführungen offenbar fälschlicherweise eine prinzipielle Ablehnung der Todesstrafe herausgelesen.

txxx666: Du meinst also, wenn ich richtig verstehe: wenn die Herrschenden eine Todesstrafe verhängen, geht das schon in Ordnung - wenn es die Mehrheit täte, wär's ein Verbrechen...?
(Das wird die vielen Opfer der Todesstrafe ja freuen, die nicht nach demokratisch-barbarischen Abstimmungsritualen, sondern schön obrigkeitsstaatlich hingerichtet wurden.)

Leander Sukov: Ja, ich lehne sie prinzipiell ab. Aber daraus ergibt sich nicht, dass ich diese Fälle für barbarisch halte.

Leander Sukov: Demagogie hilft Dir nicht weiter

txxx666: Dann hilf mir doch mal bitte, dir zu helfen - wieso wäre dann ein Todesurteil in einer Demokratie barbarischer als in einer parlamentarischen Republik, und wieso würdest du gegen Demokratie mir der Waffe in der Hand losziehen, gegen den Kapitalismus, der täglich unnötig Menschen in Elend, Hunger und Tod treibt, aber nicht?

Leander Sukov: Demagogie hilft Dir nicht weiter.

txxx666: Ich glaube, du weißt nicht mehr weiter... schade.

Leander Sukov: Nein, ich gehe ohne wichtigen Grund nie auf Unterstellungen ein. Und hier sind es einfach Unterstellungen.

txxx666: Ich habe nur zusammengefasst, was du geschrieben hast.
Du glaubst offenbar tatsächlich, dass heute Rechtssicherheit herrscht, und meinst, Mitbestimmung würde diese zerstören. Für wen aber herrscht denn Rechtssicherheit? Und für wie viel Prozent Menschen auf der Welt? Und ist das wirklich ein höheres Gut als Gerechtigkeit?
Wobei ich zu deiner reflexhaften Ablehnung der Todesstrafe noch die Frage in den Raum stellen möchte, ob eine lebenslange Freiheitsstrafe ("mit anschließender Sicherheitsverwahrung") so viel weniger barbarisch (humanistischer) ist...?

Leander Sukov: Nein, das hast Du nicht. Du hast mir Äußerungen unterstellt. Ende.

txxx666: Was sollte ich dir denn unterstellt haben? Lies doch einfach nochmal oben nach.

Leander Sukov: ''Dann hilf mir doch mal bitte, dir zu helfen - wieso wäre dann ein Todesurteil in einer Demokratie barbarischer als in einer parlamentarischen Republik, und wieso würdest du gegen Demokratie mir der Waffe in der Hand losziehen, gegen den Kapitalismus, der täglich unnötig Menschen in Elend, Hunger und Tod treibt, aber nicht?''
Ende

txxx666: Ach so - ziehst du doch mit der Waffe gegen den Kapitalismus... dann sorry (und ich hoffe, das fliegt dann jetzt hier nicht auf)

Leander Sukov: Ende

txxx666: Na dann gute Nacht. Hat mich trotzdem gefreut.

senf dazu



uwe sak, 2016.02.04, 15:33
Nun, ich bin ja sehr oft Deiner Meinung. Aber hier stehe ich eher auf der Seite von Herrn Sukov, auch ich nicht alles unterschreiben würde, was er meint. Wenn heute eine Abstimmung über die Todesstrafe stattfindet, dann wird sie auch eingeführt, darauf kannst Du einen lassen. Ich bin aber dagegen und zwar auch dann, wenn die Mehrheit zustimmt. Und schau Dir doch mal die Schweiz an Dort gewinnen meistens die neoliberalen Kräfte die Abstimmungen. Und die Schweizer haben nun schon sehr große Erfahrungen mit Volksabtimmungen. Ich vertraue zwar unseren Volksvertretern auch nicht, aber im parlamentarischen Verlauf können extreme Meinungen eher gefiltert werden als in einer - Sorry - Mehrheitsdiktatur.

Aber parlamentarische Demokratie ist doch genau das: Mehrheitsdiktatur.

Echte Demokratie wäre, wenn alle so lange diskutierten, bis sie sich auf einen Konsens geeinigt hätten. Das ist natürlich nicht machbar bei 86 oder so Millionen, also versucht man es zu administrieren durch Abgeordnete. Aber es ist dann eben schon keine echte Demokratie mehr.

Nein, solange die im Grundgesetz verankerten Minderheitenrechte auch durch eine 2/3 nicht angetastet werden können, ist das eben keine Mehrheitsdiktatur.

Ich frage mich wirklich mit wachsender Verzweiflung, woher Leute, die sich selber politisch links verorten (und zu denen darf ich dich, lieber Uwe, doch zählen...?), dieses abgrundtiefe Misstrauen vor der Mehrheit bzw. dem menschlichen Urteilsvermögen haben, dass sie lieber mit dem Status quo Vorlieb nehmen...
"Ich bin aber dagegen und zwar auch dann, wenn die Mehrheit zustimmt" - in letzter Konsequenz läuft das doch auf eine Diktatur der eigenen Meinung hinaus, also eine absolute Monarchie (mit dir selber als Alleinherrscher).

Natürlich wäre es wünschenswert, so lange zu diskutieren, bis ein Konsens erreicht ist; manchmal (bei drängenden Entscheidungen) wäre aber eine gleichberechtigte Abstimmung und die darauffolgende Umsetzung der Mehrheitsmeinung wohl das kleinere Übel, als wenn eine (wie auch immer legitimierte) Minderheit ihre (wohl kaum "selbstlose") Ansicht gegen die Mehrheit durchsetzt.

Um es noch einmal ganz deutlich zu machen: natürlich bin ich absolut gegen die Todesstrafe. Ihre theoretisch mögliche Einführung in einer plebiszitären Demokratie kann aber meiner Meinung nach nicht als Argument dafür herhalten, das jetzige System, das täglich tausendfach tötet, zu perpetuieren - das wäre doch ungefähr so, als würde man (wie die SPD) die Rüstungsindustrie rechtfertigen, weil bei ihrer Abschaffung ja Arbeitsplätze verlorengingen...
(Mein Vater, ein alter Kommunist und in den 1970ern mit Berufsverbot belegt, pflegt zu solchen Argumenten neuerdings zu entgegnen: "IM KZ gab's auch jede Menge Arbeitsplätze...")

Recht hat er, Ihr Vater! In Deutschland (und anderen Ländern) herrscht das Kapital via die parlamentarische Demokratie. Genau deshalb fühlen sich die Wähler nicht mehr repräsentiert, denn sie bekommen nicht, was ihnen versprochen wurde und was sie gewählt haben, weil die Politiker in Wirklichkeit ganz anderen Herren dienen; ganz bestimmt nicht ihren Wählern.

Das ist in den letzten 2 Jahrzehnten immer deutlicher geworden.

Ja, Du darfst mich zu den Linken zählen. Und dem Satz Deines Vaters kann ich viel abgewinnen. Aber es ging um die Todesstrafe. Und wenn es darum geht die Todesstrafe zu vermeiden: Ja, dann bin ich liebend gerne ein Diktator.
Aber was ist wichtiger: Das wir in einer Frage anderer Meinung sind oder das wir in vermutlich 99% der Fälle gleicher Meinung sind?

Ich denke auch, dass es wichtiger ist, dass wir in der Mehrheit der Fälle auf einer Wellenlänge liegen - und genau das möchte ich doch gerne zum Prinzip der allgemeinen politischen Entscheidungsfindung erhoben sehen.
senf dazu
 
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