Ronnie ist Anfang zwanzig und kommt, wie seine Eltern und deren Eltern, aus Mecklenburg. Er wohnt in einem kleinen Ort an der Ostsee und ist, wie viele seiner Freunde, arbeitslos und lebt von „Hartz IV“.
Ihre oft reichlich bemessene Freizeit verbringt die Dorfjugend im Sommer am liebsten am Meer; doch seit einigen Jahren treffen sie dort immer häufiger auf Fremde. Ein großes Hotel in der Nähe hat sich offenbar auf Touristen aus den Golfstaaten spezialisiert, und so finden sich am Strand jetzt immer mehr reiche Araber, oft ganze Familien in ihren Trachten, die Frauen verschleiert, und schauen hochnäsig herüber, wenn die einheimischen Jugendlichen nackt baden, ihre Würstschen grillen und dazu Bier trinken.
Teile des Ortes haben sich auf die Urlauber eingestellt und profitieren davon, aber Ronnie und seinesgleichen sind nur genervt: am Strandkiosk gibt es seit einiger Zeit nichts Schweinernes mehr, sondern nur noch sauteures Rind- und Hammelfleisch, und auch nur noch alkoholfreie Getränke; Teile des Strandes sind zu Privatbesitz erklärt und für nichtzahlende Einheimische gesperrt worden; und als Ronnie und seine Clique kürzlich direkt neben der Absperrung eine ostentativ feuchtfröhliche Grill- und Badeparty wie früher veranstalteten, kamen doch auf Betreiben der muslimischen Hotelgäste tatsächlich die Bullen und haben sie weggejagt.
Ronnie interessiert sich eigentlich nicht sehr für Religion; aber dadurch, dass er inzwischen einen regelrechten Hass auf diese Araber entwickelt, beschäftigt er sich jetzt im Internet viel mit dem Islam und fühlt sich dabei immer mehr als bedrohter christlicher Abendländer. Und manchmal träumt er davon, selber nach Dubai oder Abu Dhabi zu fahren, um sich da auch mal schwer danebenzubenehmen – aber das könnte er sich natürlich niemals leisten...
Was ist das – die durchgeknallte Phantasie eines Thilo Sarrazin oder der feuchte Traum einer AfD-Funktionärin? Nein, das ist der (vielleicht nicht sehr gelungene) Versuch, das in deutsche Verhältnisse zu übertragen, was ich erleben musste, als ich (vor über 20 Jahren) einmal in Marokko und ein anderes Mal in Tunesien Urlaub machte. Denn ich habe sie erlebt, die Pauschaltouristen aus Deutsch- und England, Frankreich und den Niederlanden, wie sie an den Neckermann-Stränden von Agadir und Sousse selbstherrlich ihre voluminösen Bierwampen und Hängetitten auspackten, während vielleicht ein paar Meter weiter verschleierte Frauen mit ihren Kindern saßen, und wie sie versucht haben, den ohnehin schon lächerlich niedrigen Reisepreis („Schnäppchen!“) wegen „entgangener Urlaubsfreuden“ im Nachhinein noch zu drücken, weil sie sich von Einheimischen am Hotelstrand belästigt gefühlt hatten; und ich habe sie auch vereinzelt(!!!) dort bei Jugendlichen aufblitzen sehen: den Hass auf unsere Respektlosigkeit, die Verachtung für unsere dekadente Lebensweise, und auch den Neid auf unseren (relativen) Reichtum und die daraus resultierende Bewegungsfreiheit...
Vielleicht ist das ein Teil der Antwort auf die in den letzten Tagen viel gestellte Frage, was das nur für Menschen seien, die hier mit mehreren Identitäten versuchen, ihrer Abschiebung zu entgehen und in der Illegalität von Drogenhandel und kleinen Diebstählen oder Raubzügen zu überleben, die teilweise zuweilen im Gedränge Frauen in den Schritt fassen und von denen einige vielleicht sogar einen mörderischen Hass auf alles „Westliche“ entwickeln.
Langfristig wird sich an dieser „Bedrohungslage“ weder durch mehr Überwachung noch durch härtere Gesetze etwas ändern lassen; nötig wäre es, wieder mehr Achtung voreinander zu entwickeln, und dazu würde zuallererst gehören, allen Menschen gleiche Rechte zuzugestehen; und das wiederum bedeutet: Die Unterdrückung und Ausbeutung der Armen durch die Reichen und der armen Länder durch die reichen Länder muss ein Ende haben!
Dass es auch Deutsche gibt, die sich im Ausland daneben benehmen ist geschenkt.
Und es geht mir auch nicht ums bloße "Danebenbenehmen", sondern um strukturelle Ungerechtigkeiten - z.B., dass Marokkaner und Tunesier eben nicht einfach so in D'land Urlaub machen können...
➥ Zur Petition Weiterentwicklung: Demokratie
➥ Das Prinzip Permanentes Plebiszit
We were all just hanging around waiting to die and meanwhile doing little things to fill the space.
Charles Bukowski