Welches Geschichtsbild und welcher politische Anspruch* stecken eigentlich dahinter, die östlichste Landesrundfunkanstalt "Mitteldeutschen Rundfunk" zu nennen?
* Es gibt einen Norddeutschen und einen Westdeutschen Rundfunk, die auch teilweise ziemlich "mittig" liegen - wieso keinen "Ostdeutschen"? Für mich riecht das nach Revanchismus (Nicht-Anerkennung der Oder-Neiße-Linie)...
Wie geschrieben: es gibt ja den Westdeutschen Rundfunk, dessen Sendegebiet auch nicht so besonders exponiert westlich liegt...
Und die Tatsache, dass der MDR aus der 1924 gegründeten MIRAG mit Sitz in Leipzig hervorgegangen ist, erklärt meines Erachtens auch nicht viel - angesichts der Tatsache, dass damals die östlichsten Gebiete in D'land Pommern, Schlesien und Ostpreußen waren, heute aber in Sachsen liegen, hätte ich 1990 eine andere Benennung ("ODR") doch sinnvoller gefunden.
Die Sendegebiete haben mit den jeweiligen Besatzungszonen zu tun, weshalb Bremen als US-amerikanische Enklave einen eigenen Sender bekam.
Die Entscheidung, den Rundfunk der DDR zum 31. 12. 1991 aufzulösen und in die jetzigen Strukturen zu überführen, wurde dagegen (wie manch anderes) relativ willkürlich im Einheitsvertrag festgelegt.
Es wäre ja auch denkbar gewesen, das komplette ehemalige DDR-Sendegebiet in einen ODR zu überführen (der WDR in NRW hatte und hat sogar mehr Empfänger/Einwohner), aber das war politisch eben nicht gewollt.
Mit dem Namen MDR wurde zunächst und vor allem auf eine alte demokratische Tradition zurückgegriffen. Der Mitteldeutsche Rundfunk wurde, ebenfalls mit Sitz in Leipzig, 1924 gegründet. 1933 wurde er jedoch faktisch zerschlagen und vom "Reichssender" in Berlin vereinnahmt. Mit dem Ende des Nationalsozialismus wurde vorübergehend versucht, auf den Namen MDR zurückzugreifen. Bald jedoch wurde der Rundfunk in Leipzig von den SED-Herrschern zerschlagen und abermals der staatlich gelenkten Funkzentrale in Berlin untergeordnet. Mit dem alten Namen "Mitteldeutscher Rundfunk" wurde 1991, wie die Fernsehinformation
formuliert, "der Sprung über fünf Jahrzehnte in die Zukunft und die Absage an die erst braune, dann rote Diktatur besiegelt". Die Bezeichnung "Mitteldeutscher Rundfunk" mit Sitz in Leipzig ist jedoch nicht nur historisch gerechtfertigt. Im Sendegebiet unseres Mitteldeutschen Rundfunks, nämlich in Niederdorla, befindet sich in der Tat auch der neue geographisch-geometrische Mittelpunkt des nunmehr vereinten Deutschlands.
Bitte verstehen Sie den Namen nicht als Vokabel der deutschen Rechtsextremen, damit hat er wirklich nichts zu tun. Verschiedentlich werden wir gefragt, ob denn dann Pommern und Schlesien oder Ostpreußen Ostdeutschland wären, wenn Sachsen zu "Mitteldeutschland" gehöre. Natürlich niemals!!!! Die Grenzen, so wie sie nach dem zweiten Weltkrieg entstanden sind, sind unumstößlich!
Bitte gehen Sie selbst einmal auf die Seite
www.eichsfeld-online.de/mittelpunkt/pdf/nieder.pdf
und überzeugen Sie sich davon, dass der Mittelpunkt Dt. wirklich in unserem Sendegebiet liegt! Sehen Sie Deutschland auch bitte nicht nur in den Dimensionen von West nach Ost, diesbezüglich läge Sachsen wirklich eher am östlichen Ende Deutschlands (daher wird ja auch oft "Ostdeutschland" gesagt), sehen Sie es auch von Nord nach Süd, und so betrachtet, liegt "Mitteldeutschland" wirklich in der geographischen Mitte (Schnittpunkt von Achse Nord/Süd und West-Ost).
Auf keinen Fall ist mit der Bezeichnung "Mitteldeutschland" eine
politische Wertung in Richtung Revanchismus oder Rechtsextremismus gemeint, das möchten wir mit aller Klarheit zum Ausdruck bringen. Es ist eine historisch begründete und seit 3. 10. 1990 nun auch geographisch gerechtfertigte Bezeichnung.
Anmerkung: Der mitgeschickte Link zeigt leider nur eine leere Seite - und die Formulierung "Absage an die erst braune, dann rote Diktatur" verdient meines Erachtens eine klassische Antwort, die Thomas Mann schon 1945 gegeben hat:
"Den russischen Kommunismus mit dem Nazifaschismus auf die gleiche moralische Stufe zu stellen, weil beide totalitär seien, ist bestenfalls Oberflächlichkeit, im schlimmeren Falle ist es – Faschismus. Wer auf dieser Gleichstellung beharrt, mag sich als Demokrat vorkommen, in Wahrheit und im Herzensgrund ist er damit bereits Faschist und wird mit Sicherheit den Faschismus nur unaufrichtig und zum Schein, mit vollem Haß aber allein den Kommunismus bekämpfen."
Thomas Mann, in: Essays, hg. von H.Kurzke, Frankfurt 1986, Bd. 2, S. 311
Ich habe mich das auch schon gefragt, würde das Thema aber nicht überstrapazieren. Inhaltlich ist der Sender gewiss nicht näher an rechtsradikalen Positionen als andere auch.
Und sinnvoll halte ich z.B. auch, dass MV zum NDR gehört, denn die Leute dort haben sicher mehr gemeinsam als mit Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Ansonsten könnte man auch einen zentralen Sender, wie das ZDF, haben und verzichtet auf den regionalen Kleinkram.
Und das Programm des MDR ist (neben viel DDR-"Ostalgie") meiner Anschauung nach schon oft etwas rechtslastiger als z.B. das von NDR und WDR (gilt allerdings wohl auch für den BR), was angesichts der politischen Einflussnahme durch die Landesregierungen (obwohl die ja zumindest in Thüringen neuerdings eher links ist) auch nicht verwundert.
Ach ja. Die "rote Diktatur" mal eben mit dem "russischen Kommunismus" gleichzusetzen, ist argumentationshalber sicher naheliegend. Das allerdings sorgte dann doch - in meinen Augen - für ein gewisses Unterdentischkehren der durchaus willigen einheimischen Bevölkerung, was nicht nur das Kontrollieren, Reglementieren und Sanktionieren betrifft
➥ Zur Petition Weiterentwicklung: Demokratie
➥ Das Prinzip Permanentes Plebiszit
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Charles Bukowski