Ente am Ende
So ist es!
Freitag, 10. März 2017, 16:06

Unbedingt lesenswert, was der Soziologe Stephan Lessenich heute in der SZ* schreibt:

(...) Martin Schulz ist der Hoffnungsträger all jener, die den Gesellschaftsvertrag der deutschen Nachkriegsrepublik in Gefahr sehen (...)

Das Kleingedruckte dieses Vertrags lautete in etwa so: Ihr, die politischen und ökonomischen Funktionseliten dieser Gesellschaft, dürft uns, die besitzlosen, aber mit dem allgemeinen Wahlrecht ausgestatteten Massen, im Betrieb und über das Parlament beherrschen, soweit und solange ihr für permanentes Wachstum und steigende Konsummöglichkeiten, ein wenig Umverteilung und die Aussicht auf sozialen Aufstieg für uns und unsere Kinder sorgt.

Und, so der wichtige Zusatzartikel zu diesem Vertrag auf Gegenseitigkeit, wenn ihr die Kosten dieses Arrangements von uns fern und uns dessen Nebenwirkungen vom Halse haltet: nämlich die für ökonomisches Wachstum notwendige Naturzerstörung, die trotz Umverteilung verbleibende Armut, das Wissen um die Gründung hiesigen Wohlstands auf der harten Arbeit von Menschen anderswo auf der Welt, die Aufstiegswünsche auch dieser Menschen für sich selbst und ihre Kinder.

(...)
Die deutsche Angst, oder sagen wir treffender: das Unbehagen breiter gesellschaftlicher Schichten ist (...) das unbestimmte Gefühl, dass sich die Zeiten radikal wandeln, dass die Voraussetzungen der eigenen Lebensweise nicht mehr gesichert sind, dass die "gute alte Zeit" der ungeheuren Privilegierung der westlichen Wohlstandsgesellschaft im Weltmaßstab zu Ende geht - und nicht wiederkehren wird. Es ist die Ahnung, dass der Gesellschaftsvertrag des wohlstandskapitalistischen Zeitalters nicht mehr aufrechtzuerhalten ist - weder von Angela Merkel noch von Martin Schulz. Aber man kann es ja mal mit einem anderen probieren.
(...)
Den Phantomschmerz des deutschen Wohlstandsbürgertums wird der Rückkehrer aus Brüssel womöglich kurzfristig heilen können. Langfristig aber gilt für die Wohlfahrtsgesellschaft genau das, was ihr derzeit auch Martin Schulz noch nicht predigen mag: ihren Wohlstand ernsthaft mit anderen zu teilen.

Dem kann ich nur vollumfänglich zustimmen - und (wieder einmal) auf mein schon etwas älteres, aber doch tagtäglich aktueller werdendes Plädoyer für weltweite gerechte Umverteilung verweisen...
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* SZ vom 10. März 2017, S. 13; leider auch online kostenpflichtig

senf dazu



txxx666, 2017.03.13, 12:48
Das kam offenbar auch dem TITANIC-Kolumnisten Stefan Gärtner so bedeutsam vor, dass er es in seinem gestrigen kritischen Sonntagsfrühstück ausgiebig zitiert hat.
senf dazu
 
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