Thomas Mann hat zwar in seinen jüngeren Jahren so manchen politischen Unfug (v.a. die Betrachtungen eines Unpolitischen im Ersten Weltkrieg) verzapft, aber seine Erkenntnis - im Exil am Ende seines Lebens aus leidvoller Erfahrung klug geworden - zur unseligen "Totalitarismus-Theorie" (s. dazu auch hier und da) verdient es unbedingt, immer wieder einmal zitiert zu werden:
»Den russischen Kommunismus mit dem Nazifaschismus auf die gleiche moralische Stufe zu stellen, weil beide totalitär seien, ist bestenfalls Oberflächlichkeit, im schlimmeren Falle ist es – Faschismus. Wer auf dieser Gleichstellung beharrt, mag sich als Demokrat vorkommen, in Wahrheit und im Herzensgrund ist er damit bereits Faschist und wird mit Sicherheit den Faschismus nur unaufrichtig und zum Schein, mit vollem Haß aber allein den Kommunismus bekämpfen.« (Hervorhebungen von mir)
Wobei ich über ein paar seiner belletristischen Elaborate - den "Zauberberg" etwa - auch nicht vollends den Stab brechen wollen würde.
Obwohl: "modern" - der gute Lukács ist ja auch schon relativ lange her...
Aber da der Mann (Hach, welch grandioses Wortspiel!) auch noch in der Postmoderne geschrieben hat... (Apropos: Sind wir eigentlich noch Postmodern oder wie heißt eigentlich unsere Epoche??)
Nun, zur Literatur will ich gar nicht so viel sagen: Das ein oder andere Gescheite dabei, aber der Mensch dahinter überzeugt mich einfach nicht... Da habe ich eher andere Familienmitglieder im Auge.
Andere Familienmitglieder? Doch nicht etwa den untreuen Heinrich?
Das waren ja angeblich (bis auf Erstere) die Sprösslinge, die der Alte auch nicht so mochte...
Da orientiere ich mich eher an Tagebüchern und Briefen der Familie, so weit vorhanden, und weniger an Sekundärliteratur aus der Forschung; durch die dort vorhandene Subjektivität wird mir ohnehin zu viel geschludert, wenn diese Einschätzung auch wiederum sehr subjektiv meinerseits ist. ;)
In erster Linie fühlte ich mich bei der Lektüre besagter Schriftstücke aber eher unbehaglich und emotional sehr bedauernd und traurig gestimmt.
Ja, und was ist eigentlich über die Verfilmung der Mannschen Familiengeschichte mit Armin M.-S. usw. zu sagen?
(Von mir nichts, hab sie - noch? - nicht gesehn...)
Ansonsten habe ich oft den Verdacht gehabt, dass jetzt ziemlich beschönt wird, weil eine gewisse Grundbewunderung gegenüber der Familie Mann vorhanden ist - natürlich kann ich das nicht mit Bestimmheit sagen, und schon gar nicht kann ich angeben, in welcher Größenordnung ich diesen Verdacht stelle; erwähnt war ich nur mit einem Auszug beschäftigt und ALLES zum Thema zu sehen oder zu lesen, erscheint ja mehr als nur unmöglich.
ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich noch KEIN WORT von Thomas Mann gelesen habe, dafür aber das eine oder andere von Heinrich Mann. Aber jemand, der in diesem Blogg dermaßen Furore macht, an dem muss doch "was dran" gewesen sein, oder? Woran erregen sich denn sonst die Gemüter? Vielleicht lese ich doch mal das Eine oder Andere...
mfg
Bewundert wird an Thomas Mann ja die "Fähigkeit", die eigene Familiengeschichte und das eigene Schicksal - übermächtiger Vater, Kaufmännische, Hanseatische Tradition, unterdrückte Homosexualität - als "Beobachter" überaus schonungslos zu präsentieren. Zu nennen sind hier vor allem die "Buddenbrooks", in der Thomas Mann seine Familie auseinandernimmt, "Tonio Kröger", in dem er seine Kindheit und Jugend ausdrückt, "Königliche Hoheit", die seine "Erlösungsgeschichte" durch Katia darstellt, "Der Tod in Venedig" bezüglich Homosexualität,... All seine Werke entstammen seinem Leben und die in seinen Werken verwandte Symbolik wird als beeindruckend aufgefasst.
Legendär sein soll ja seine Disziplin: Frühstück, dann Schreiben, Mittag, dann Spaziergänge, dann Besuche, nach dem Abendessen Wagner und Tagebuchschreiben. Etliche Selbstmorde seiner Kinder, weil auch Thomas Mann ein übermächtiger Vater war. Mit Charisma, das er gerne inszenierte und präsentierte. - Exil. Da kommt viel zusammen, was je nach Blickwinkel unterschiedlich bewertet wird.
Nun, nicht exakt: Denn ich habe den obligatorischen, heiligen Mittagsschlaf des Mannes vergessen - nur als seine Frau die Nachricht über seinen Nobelpreis erhalten hatte, durfte Klein-Elisabeth ihn ausnahmsweise wecken, um ihn über den Telefonanruf zu unterrichten: und das auch nur nach langen, strategischen Überlegungen. ;)
Nichtsdestotrotz vielen Dank, ich fühle mich nun sehr geschmeichelt. :D
Und für den gestörten Mittagsschlaf hätte ich übrigens eine maßvolle Züchtigung durchaus für angemessen gehalten (der Preis wäre ja schließlich nicht weggelaufen).
➥ Zur Petition Weiterentwicklung: Demokratie
➥ Das Prinzip Permanentes Plebiszit
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