Betrifft: Das wollt ihr nicht wirklich Der Raub des Urheberrechts von Dichtern, Musikern, Filmern und Journalisten muss aufhören. Der Gastbeitrag eines Künstlervaters / Von Marek Lieberberg (SZ online vom 28.03.2009, 05:00 Uhr)
Lieber Marek Lieberberg,
ich erlaube mir, Dich als offenbar 1968ff Sozialisierten mit "Du" anzuschreiben, auch wenn diese blümeranten Zeiten, die Du zu Anfang deines eloquenten Artikels (oder sollte ich sagen: Aufschreis?) so plastisch wieder heraufbeschwörst, Dir offenbar in zweifelhafter Erinnerung geblieben sind: Zersplitterte Türen, verletzte Fans und Ordner, Konzertabsagen und haufenweise Hallenverbote. Those were the days... Die Leiden des jungen Konzertveranstalters.
Nun bist Du angetreten, um den Niedergang der künstlerischen Freiheit die flächendeckende Enteignung derer zu beklagen, die wir mit Kreativen Geschäfte machen und/oder die Schätze ihrer Arbeit lieben - ein Schelm, wer böse dabei denkt, dass es da bei Dir persönlich eher "oder" heißen dürfte? ; ) Aber Moment, halt, du hast ja von "Schätzen" gesprochen, nicht etwa von "Früchten"...
Du berufst Dich recht eindrucksvoll auf den "Heidelberger Appell", den so großartige Leute wie Michael Krüger, Georges-Arthur Goldschmidt und Vittorio Klostermann unterfertigten, während mich persönlich Namen wie Klaus Theweleit, Julia Franck, Matthias Politycki, Ulrich Beck und Kay Sokolowsky mehr beeindruckt und zum Nachdenken angeregt haben, weil sie glauben, dass "das verfassungsmäßig verbürgte Grundrecht von Urhebern auf freie und selbstbestimmte Publikation (...) derzeit massiven Angriffen ausgesetzt und nachhaltig bedroht" sei.
Bei Dir liest sich das dann allerdings so: Selbst die Gema hat das Handtuch geworfen, was den Rechte-Raubbau im Internet anbelangt. Die Monopolverwertungsgesellschaft versucht sich nun an uns Konzertveranstaltern schadlos zu halten, die wir mit Forderungen nach Gebührenerhöhungen von über 500 Prozent konfrontiert werden.
Daher weht also der Wind: Deine gutgehende Konzertagentur, die schon Acts wie The Who, Pink Floyd, Depeche Mode, Madonna, Bob Dylan, Bruce Springsteen und viele andere gewinnbringend vermarktete und z.B. demnächst die Spitzen(?)-Combo U 2 mit ihrem kapitalismuskritischen(??) Frontmann Bono Vox für Ticketpreise von schlappen 89 bis gediegenen 179 Euro nach Berlin bringen wird, könnte in Schwierigkeiten geraten, in Zeiten der Rezession solche Preisaufschläge dem zahlenden Publikum zu vermitteln...?! Und wer ist es Schuld? Natürlich die Pest der Raub- und Privatkopien, dieser Virus (...), an dem die Musikindustrie zugrunde geht!
Und nicht nur die: Auch die Filmindustrie zappelt mehr oder weniger hilflos im Netz. Seltsam, war da nicht letztens zu lesen, dass die Kinos aktuell Rekordeinnahmen verzeichnen, wie ja auch der Ticketverkauf bei Konzerten brummt wie nie zuvor? Aber wehe, die Gewinnmargen wachsen hier nicht mit - gleich scheint der Untergang des Abendlandes nahe: flink weist Du darauf hin, dass auch der Amoklauf von Winnenden gezeigt hat, wie schnell die Öffentlichkeit samt Politik und hochseriösen Blättern den Falschinformationen von flinken Netz-Desperados aufsitzen, baust auch noch die Finanzkrise in dieses düstere Szenario ein, an dessen Ende der "Tag, an dem die Musik starb" dämmert...
Ist man rückständig und (daran bin ich als Konzertveranstalter, wie gesagt, gewohnt) ein Brutalkapitalist, wenn man diesen free flow im Internet für verhängnisvoll hält?, fragst Du in einem Anflug von Selbstzweifel; ich möchte diese Frage gerne mit einem vollmundigen JA! beantworten.
Du sprichst vom "Raub geistigen Eigentums". Die Antwort auf den Vorwurf solch (übrigens ja längst mit teilweise drakonischen Strafen bewehrten) "Verbrechens" hast Du an anderer Stelle selbst gegeben: "Die Gedanken sind frei" - und im Gegensatz zu Dir glaube ich nicht, gemeint war da was ganz anderes.
Der möglichst ungehinderte Zugang zu Information - nenne ich es einmal "Informationsfreiheit" - ist m.E. nicht nur ein Menschenrecht, sondern für das etwaige Funktionieren irgendeiner künftig vielleicht (hoffentlich!) einmal stattfindenden Demokratie unabdinglich! Immerhin gibt es heute schon in vielen (reichen) Ländern die (bereits durch Gebühren wieder zunehmend eingeschränkte) Möglichkeit, sich in Leihbibliotheken, per Radio und Fernsehen Zugang zu Informationen zu verschaffen, die sich die weniger Begüterten sonst kaum leisten könnten.
Menschen, die Literatur, Musik oder Filmkunst produzieren, werden dies sicher auch weiterhin tun, auch wenn ihre Gagen nicht wie bisher weiter in den Himmel wachsen sollten. Die großen Verwertungsindustriellen (zu denen Du ja sicherlich gehörst) werden im Laufe der Zeit womöglich oder sicherlich einiges verlieren - aber wie überall, wo die Kluft zwischen uns (vielen) Armen und euch (wenigen) Reichen sich nicht weiter öffnet, sondern vielleicht sogar ein wenig schließt, gilt: Euer Verlust ist unser Gewinn!
Die Welt, wie sie dann aussehen wird, die wollen wir alle nicht wirklich? Du und Deine kunstverwertenden Kollegen sicherlich nicht; wir kunstliebhabenden "Netz-Des Esperados" aber vielleicht schon.
Mit respektvollen Grüßen,
(Mit gleicher Post an die SZ-Leserbriefredaktion)
... denn ich habe es bereits zu meinen aktiven Zeiten vor dem weltweiten Web allzu oft erlebt, daß sich Menschen auf den Lorbeeren ausruhen wollten – ich spreche jetzt nur von den entdeckten Fällen –, die mir gebührten, für die ich teilweise hart habe arbeiten müssen, da wären: Vorrecherche (als es noch kein Internet gab), Reise, Gespräche, Recherche, oftmals all das auf eigene Kosten, lesen und nochmal lesen, und nicht zuletzt schreiben; von einigen Jahren Lehrzeit mal abgesehen. Ein Beispiel nur: Es hat einen Fall gegeben, da bat eine Autorin mich um eine schriftliche Stellungnahme zur Arbeit eines Künstlers. Dieses dezidiert ausformulierte Stück Schrift hat sie eins zu eins in ihr Künstlerportrait einer angesehenen österreichischen Tageszeitung hineingehäkelt, ohne auf den Autor zu verweisen. Durch Zufall bin ich draufgekommen. Mir das gefallen zu lassen von Menschen, die zu träge, zu wenig kreativ oder schlicht zu faul sind, die sich dabei auch noch auf ein ein «überholtes Urheberrecht» berufen, das mag ich nicht als Kompliment sehen, sondern als was anderes.
Geschrieben hatte ich das in diesem Zusammenhang.
D'accord - fremde Federn als eigene auszugeben, empände ich auch als extrem anstößig und eventuell auch strafwürdig. Hier sähe ich auch den Tatbestand des Diebstahls (geistigen Eigentums) erfüllt... nicht aber z.B., wenn jemand (unter korrekter Nennung des Urhebers) einen Text (oder ein Musikstück oder einen Film usw.) kopiert oder ggf. sogar vervielfältigt und anderen zur Verfügung stellt - das sähe ich dann doch eher als Kompliment für diesen Urheber an.
(Bin gespannt, ob es eine Antwort gibt)
➥ Zur Petition Weiterentwicklung: Demokratie
➥ Das Prinzip Permanentes Plebiszit
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Charles Bukowski