Ente am Ende
Gaia Scienza
Freitag, 11. März 2011, 09:20

Jetzt, wo der vorerst letzte Große Zapfenstreich geblasen wurde und auch allmählich die Diskussion darüber abebbt, inwiefern der Wissenschaftsstandort Dütschland durch die gutsherrliche Plagiatsaffäre beschädigt worden sein könne, komme ich nicht umhin, auch ein paar Schnurren aus meinem eigenen Studium zum Besten zu geben, die zeigen mögen, dass dieser Standort auch schon früher (in den späten 1980ern und frühen 1990ern, um genau zu sein) nicht mehr so ganz heile war:
Da gab es etwa den Professor der Romanistik, der grundsätzlich mindestens eine halbe Stunde zu spät zum Seminar kam, dieses dann aber oft noch um eine gute Dreiviertelstunde bis in die Mittagspause hinaus ausdehnte, bis ihm auch die letzten Studis vezweifelt und mit knurrendem Magen entschlichen waren, und der für seine himmelweiten Abschweifungen berüchtigt war (so schwadronierte er beim Thema der linguistischen Valenz eine geschlagene Stunde lang über die Wertigkeit verschiedener chemischer Elemente, um seine gar nicht vorhandenen Kenntnisse auf diesem Gebiet vorzuführen);
oder den Professor der Anglistik, der seit Jahrzehnten in seiner "Einführung in die Phonetik" baren Unfug verzapfte: z.B. tatsachenwidrig behauptete, die englischen stimmlosen Verschlusslaute seien anders als die deutschen regelmäßig aspiriert bzw. behaucht (also [ph, th, kh], wie sie wahrheitsgemäß im Deutschen wie im Englischen, nicht dagegen in den romanischen Sprachen lauten), und damit den Erstsemestern eine ganz verkehrte Aussprache (nämlich mit völlig übertrieben intonierten [h]) nahebrachte - als ich, der die Phonetik bereits in der Germanistik zur Genüge hatte kennenlernen dürfen, ihn nach einer Sitzung darauf ansprach, schlug mir neben abwimmelndem Gefasel eine Fahne entgegen, die sogar Dionysos selbst ins Delirium gefegt hätte;
oder den Professor der Germanistik, der im Rahmen eines Kolloquiums, als die Sprache auf Shakespeare kam, diesen ohne Not und im Brustton der Überzeugung ins 12. Jahrhundert datierte (auf schüchternen Einspruch dann immerhin großzügig einräumte: "Gut, 12. bis 13. Jahrhundert") und damit mal eben um 400 Jahre daneben lag...
Wahrlich, es stand schon vorher hier und da nicht gut um die dütsche Wissenschaft.

senf dazu



cassandra_mmviii, 2011.03.11, 10:04
Ich biete den Professor der Neueren Englischen Literatur, der eine Vorlesung mit dem schönen Titel "Der gothische Roman" abhielt.

Und den Professor der Neueren Geschichte, der der festen Ansicht war, zur politischen Justiz in der Weimarer Republik gäbe es keine Literatur.

Und den Dozenten der Alten Geschichte, dessen Seminar zu den Punischen Kriegen seit 5 Semestern ausfiel.

Ich hätte da noch den Professoren der Philosophie, der nach einem wirklich völlig konfusen Vortrag fragte, ob Gesprächsbedarf bestünde, und dann einen Studenten, der zum ersten Mal in seiner Vorlesung war und in einer gar nicht besonders kritischen Nachfrage wohl das Reizwort "mystisch" benutzt hatte, in einem fünfminütigen sich steigernden Wut- und Schreianfall nicht nur aus seinem Hörsaal komplimentierte, sondern auch noch Hausverbot auf Lebenszeit erteilte...

Was aber ist eigentlich so falsch an "Der gothische Roman" (außer der im Deutschen etwas altertümlichen Schreibweise mit "th")?


Die Gothik fand im Mittelalter statt, der Mann ist Prof. für Neuere Literatur.
Gemeint hat er "gothic novel", aber das kannman einfach nicht mit "gothisch" übersetzen. "Schauergeschichte" oder halt einfach bei gothic novel bleiben.
Gothische Romane... es gab den Roman in der Gothik noch gar nicht. Der entwickelte sich in Frankreich, aber in England beherrschte Chaucer das Feld.

War das vielleicht der hier?
(Jürgen Klein: Der Gotische Roman und die Ästhetik des Bösen, Darmstadt 1975 ; )

Nein, aber der Forschungsstand der Koryphäe war öfter's mal der aus dem Jahr 1975.
Besagter Prof bekam auch keine HiWis mehr, nachdem er einen in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen hatte, bis die Arbeit erledigt war.

Freiheitsberaubung für HiWis?! Das ist ja ganz alte Schule...
Wurde da auch noch von Hand gezüchtigt? : )

wäre denn die maschinelle Züchtigung vorzuziehen, weil moderner?
:)

Gibt es da nicht heute Lichtblitze und leichte Stromstöße aus dem Institutscomputer?

Und das ist jetzt besser/humaner als die altmodische Tracht Prügel?

Auf alle Fälle bequemer :D

Die Bequemlichkeit des Prügelnden ist mir von Herzen egal. Sonst feiern wir noch die Guilliotine als echten Fortschritt der Menscheit.

Im Vergleich zu den besoffenen Henkern, die immer erstmal mit der Axt halb danebengehauen haben, war sie das ja auch...

Einfach nur geköpft zu werden ist ohne Frage ein Fortschritt zum von einem Stümper mit einer stumpfen Axt erschlagen zu werden, aber erstrebenswert klingt es trotzdem nicht.

Alles relativ - lieber ein schneller sauberer Schnitt als langsam zu Tode siechen... ; )
senf dazu
 

chudn, 2011.03.11, 17:14
an den Philo-Prof erinnere ich mich auch.. du meinst auch den, der meinte: Fachzeitschriften (oder Fachliteratur) interessieren mich nicht!! Ich hab zuhause nen paar Bücher..

eina anderer hat jedes Semester aus seinem eigenen Logik-Buch vorgetragen und dennoch beim kleinsten 1x1 immer noch Fehler gemacht! Derselbe ging in anderen Vorlesungen ähnlich vor: EIN buch wurde Grundlage und dann entsprechend Kapitel für Kapitel durchgegangen, kamen Fragen auf, die ein wenig den Tellerrand, aber sicherlich nicht die in Frage stehenden Themen überstiegen, kam die Antwort: Das weiss ich jetzt aber nicht!! (Im Sinne von: steht nicht im Buch)

Oder der in der Kunsttheorie (vglbar dem gothischen roman): 'nehmen wir mal als Beispiel ..ähh..nen gedicht..äh von...Kafka!'

Ja ja, der B***** - eine Koryphäe seines Faches (= Biertrinken auf Studi-Parties ; )

Wenn ich das hier so lese, bin ich ja beinahe froh mein Studium abgebrochen zu haben.

Och, es war aber (im Nachhinein betrachtet) immer ganz lustig... (Feuerzangenbowle-Effekt?!?)
senf dazu
 
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