Ente am Ende
Die Mühen der Ebene
Freitag, 10. Juni 2016, 01:41

Als ich mich eben (in meiner Eigenschaft als Sprachwissenschaftler sowie Ex-Gatte und Vater in einer türkischen Schwiegerfamilie) wieder mal darüber geärgert habe, dass die Tagesschau (wie die meisten Massenmedien hierzulande) anscheinend nicht in der Lage, offenbar aber eher nicht willens ist, türkische Namen wie Erdoğan (*"Erdogan") und Dağdelen (*"Dagdelen") richtig zu schreiben, habe ich kurzerhand und nach alter schlechter(?) Gewohnheit flugs eine kleine Petition an ARD und ZDF aufgesetzt und diese dann bei Fratzbuch bei verschiedenen (vor allem linken, radikaldemokratischen, antifaschistischen und antirassistischen) Gruppen, in denen ich Mitglied bin, gepostet.

Die Reaktionen waren - wie so oft - ernüchternd bis erschreckend.

Einige meinten, das wäre ja wohl lächerlich und das unwichtigste Problem überhaupt; andere scherzten, dann müssten ja auch russische und chinesische Zeichen eingeführt werden; wieder andere verwiesen darauf, dass ja deutsche Umlaute im Englischen auch falsch wiedergegeben würden ("die Andern sind auch böse"); einige meinten (wohl wegen Erdoğan, dem aber immerhin meist die Ehre der korrekten Aussprache - ohne hörbares G - erwiesen wird), die Türken hätten gar keinen Respekt verdient; manche dachten, es solle darum gehen, ihnen selber Schreibfehler nachzuweisen oder Vorschriften zu machen...

Eine (ausgerechnet aus der Gruppe "Linksfraktionen") schrieb:
Meine türkischen Real-Freunde haben kein Problem damit.
(Woher weiß sie das so schnell und genau?)
Es verbietet Ihnen doch niemand, das so zu schreiben, wie Sie es möchten, oder?
So wie vor Jahrzehnten polnische Namen "eingedeutscht" wurden um einfacher zu werden, werden auch türkische Namen eingedeutscht werden. Wer aber so sehr an seiner "Ur-Schreibweise" hängt, muss wieder umziehen oder 'ne Deutsche heiraten und ihren Namen annehmen.


Eine Antirassistin meinte, ich würde damit Rassismus verharmlosen, und irgendwer behauptete, dies sei wohl ein Provokation der AfD, um die Deutschen gegen die Türken aufzubringen...

Ich versuchte dagegenzuhalten, im Prinzip mit den immer gleichen Argumenten:

Wie sich wohl die Angehörigen der NSU-Opfer Enver Şimşek und Mehmet Kubaşık fühlen mögen, wenn sie fast immer falsch als "Simsek" und "Kubasik" geschrieben (und ausgesprochen) werden, während ein Name wie François Mitterrand immer richtig geschrieben wird - Tuğçe (Albayrak) dagegen aber wieder nur *"Tugce"...?

Wenn die Tagesschau französische, spanische oder skandinavische Sonderbuchstaben korrekt wiedergeben kann, sollte das nicht auch beim Türkischen möglich sein? Und wäre alles Andere nicht Ignoranz, eine Form von Nationalchauvinismus und fast schon Rassismus?

Und dass das türkische Alphabet (genau wie das deutsche) ein lateinbasiertes mit einigen Sonderzeichen (vgl. ä, ö, ü, ß) sei und es für andere Alphabete (griechisch, kyrillisch, arabisch u.a.) und Schriftsysteme (Chinesisch u.a.) normierte Transskriptionen gebe...

Der Erfolg war und ist mehr als mäßig; die Allermeisten woll(t)en es nicht verstehen und verteidig(t)en äußerst aggressiv ihre Ignoranz. Von wegen "Internationale Solidarität"...

Erfreulich war allein, dass relativ vielen türkischen FB-"Freunden" und auch Fremden die empfohlene Petition gefiel. (Zwischenstand nach ca. zwei Stunden aber trotzdem erst 16 Unterschriften - nicht jedes "Like" ist eben eine Mitzeichnung...)

senf dazu



birgitdiestarke, 2016.06.18, 01:34
Meistens sind die Leute einfach zu faul nachzuschauen, wie ein Name richtig geschrieben wird. Selbst bei E-Mails, wo unten mein Name voll und richtig aufgeführt war (und ist), bekam ich an meinem Arbeitsplatz Antworten mit falscher Anrede, also "Brigitte" oder "Birthe" anstatt "Birgit". Diese Faulheit ist aber in meinen Augen eine Art Respektlosigkeit dem anderen gegenüber. Und schliesslich gibt es ja Copy/paste, nicht wahr?
senf dazu
 

herr klimlof, 2016.06.28, 09:07
Übrigens, da hat dich wohl einer gelesen. Im ZDF wurde die Meldung zum Besuch der Kriegsministerin bei "unseren Jungs" in der Türkei mit einem großen "I" mit Punkt drüber dargestellt.
In der ARD hingegen nicht.

Vielleicht lag es an den Großbuchstaben, die für die gesamte Hintertitelung des ARD-Beitrags verwendet wurde. Beim ZDF war das in Groß&kleinschreibung.

Ja, erstaunlich - bei Ortsnamen (hier "İncirlik") gibt sich die Journaille offenbar mehr Mühe als bei Personennamen...

Vielleicht ist das ja auch eine vorsichtige Demutsgeste Richtung Erdogan ;-)

Erdoğan bitte; soviel Zeit muss - bei allem nicht vorhandenem Respekt vor diesem Manne - schon noch sein. ; )
senf dazu
 
 schon 1821 x druppjeklickt

Zur Petition Weiterentwicklung: Demokratie
Das Prinzip Permanentes Plebiszit

We were all just hanging around waiting to die and meanwhile doing little things to fill the space.
Charles Bukowski