Ente am Ende
Ordinärer und extraordinierter Sexismus
Samstag, 9. Januar 2016, 07:42

Zwei junge Frauen sind im nächtlichen Dunkel auf dem Weg zum Hauptbahnhof. Plötzlich sehen sie sich umringt von einem Pulk junger Männer, die sich ihnen in den Weg stellen, anzügliche Bemerkungen machen, sie anfassen und küssen wollen.

Einer von den Kerlen reißt der Jüngeren plötzlich sogar das Kopftuch runter...

Die beiden Frauen heißen Fatima und Aysha, ihre Eltern kamen einst aus Marokko. Die Männer, die sie bedrängen, betatschen und nötigen, sind ein Kegelclub vom Niederrhein (oder war es ein Schützenverein aus der Eifel?) auf Junggesellenabschied; alle tragen das gleiche, mit einem kessen Spruch bedruckte T-Shirt und haben sich schon auf der Anreise mit palettenweise Schnäpsen der Marke "Schlüpferstürmer" in Stimmung gebracht.

Solche und ähnliche Szenen spielen sich jedes Wochenende zigdutzende Male z.B. in der Düsseldorfer Altstadt ab, auf der Bolkerstraße und der Rheinpromenade, und wahrscheinlich an jedem anderen Ort im Land, zu dem junge Leute gehen, um "Spaß zu haben": auf der Dorfkirmes oder vor der Großraumdisco, bei Karneval oder Oktoberfest oder auf der Fanmeile in Berlin (und vielleicht sogar beim montäglichen "Abendspaziergang" in Dresden). Manchmal sind die Täter "deutsch" und manchmal nicht, und ebenso verhält es sich mit den Opfern. Allerdings sind die Täter fast immer männlich und oft in der Überzahl, die Opfer meist (aber nicht immer) weiblich.

Ich will das überhaupt nicht verharmlosen; für Betroffene können solche Erlebnisse sicherlich traumatisch sein und enden. Manch eine wurde schon mit K.O.-Tropfen betäubt und reihenweise vergewaltigt. Was ich nur absolut erschreckend finde, ist, dass solche zugegebenermaßen widerlichen, aber doch leider traurig alltäglichen Geschehnisse in diesem Jahr, in dem auch "Mein Kampf" wieder erscheint (Zufall? Verschwörung? Weltgeisthumor?), zum Anlass genommen werden, den schon lange schwelenden Unmut über die viel zu zahlreich angekommenen und immer halbherziger begrüßten Flüchtlinge zu einem großen medialen und politischen Rechtsruck aufzubauschen, um den guten menschlichen ("gutmenschlichen") Satz des letzten Sommers – "Wir schaffen das" – in ein winterlich kaltes "Jetzt reicht’s!" umzudrehen; und im großen Taumel des heiligen Zorns, der das Land erfasst hat und in dem die belästigten Frauen instrumentalisiert (also benutzt und missbraucht) werden, lassen sich selbst Politiker von SPD und Grünen zu Sprüchen und Forderungen hinreißen, die vor kurzem nur von NPD, AfD, PEGIDA und Co. vernommen werden konnten, und die nächsten Ermächtigungsgesetze zu noch mehr Überwachung im öffentlichen Raum, härteren Strafen und schnellerer Abschiebung sind sicherlich schon auf den Weg gebracht.
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senf dazu



sturmfrau, 2016.01.09, 16:44
Danke für die klaren Worte. Ich sehe das ähnlich. Die belästigten Personen werden zu Werkzeugen gemacht, um endlich gegen die "Krimigranten" wettern zu dürfen, verschärfte Überwachungsmaßnahmen zu treffen oder Gesetze zu ändern. An den eigentlichen Problemen geht das vorbei, wie gehabt.

"Krimigranten" - die Vokabel kannte ich noch gar nicht. Sagen die bei PEGIDA nicht "Rapefugees"?

Ich habe beides schon gehört/gelesen. Wobei "rapefugees" ja relativ neu ist.

Wären die im Selbstreflektieren so kreativ und fleißig wie im Wortschöpfen, dann hätten wir manches Problem weniger.

Auch wenn es hier und da mal kurz so scheint, glaube ich nicht, dass die Pegidioten und die Hoge-SA allzu kreativ und fleißig sind, auch nicht im Wortschöpfen; die allermeisten nehmen doch dankbar den erstbesten Slogan auf und skandieren ihn dann bis zum Erbrechen bzw. Vergasen... (huch!)
senf dazu
 
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